Zwei Minuten, die ganz Holland innehalten
| von Redaktion

AMSTERDAM · Nationale Dodenherdenking 2025: Gedenkminute, Gänsehaut, Gegenwart. Auch dieses Jahr gedachten am Abend des 4. Mai in den gesamten Niederlanden Tausende Menschen der Opfer von Krieg und Gewalt. Auf dem Amsterdamer Dam, dem symbolischen Zentrum des nationalen Erinnerns, verharrten um Punkt 20:00 Uhr Tausende in zwei Minuten stiller Anteilnahme. Die Nationale Dodenherdenking verlief ruhig, begleitet von einer Rede des Ministerpräsidenten und einer kraftvollen Botschaft der Bürgermeisterin. Trotz strenger Sicherheitsvorkehrungen blieb die zentrale Zeremonie störungsfrei – abgesehen von zwei später festgenommenen Demonstranten.
Wie jedes Jahr am Vorabend des niederländischen Befreiungstages stand der 4. Mai 2025 ganz im Zeichen des Gedenkens. Auf dem Dam in Amsterdam, wo sich das Nationaal Monument erhebt, versammelten sich mehrere tausend Menschen, um gemeinsam die Nationale Dodenherdenking zu begehen. König Willem-Alexander und Königin Máxima legten den ersten Kranz, begleitet vom Klang der Taptoe, gefolgt von zwei Minuten stiller Andacht, in denen ganz Holland innehielt: Züge und Busse standen still, Fähren schalteten die Motoren aus, sogar der Straßenverkehr kam punktuell zum Erliegen. Der Abend wurde von einer persönlichen und eindringlichen Rede des Premierministers Dick Schoof geprägt, der an das Schicksal seines im Widerstand gefallenen Großvaters erinnerte. Ebenso bewegend war die Rede der Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema, die eindringlich vor Gleichgültigkeit gegenüber aktuellen Kriegsverbrechen warnte. In über 480 Städten und Gemeinden fanden kleinere Gedenkveranstaltungen statt – darunter auf der Waalsdorpervlakte, dem Grebbeberg und am Homomonument. Die stille Teilnahme junger Menschen, wie dem 14-jährigen Marijn van der Wilk, verlieh der Zeremonie eine nachdenkliche, generationenverbindende Tiefe. Das Nationale Komitee 4 en 5 mei hatte im Vorfeld mit rund 20.000 Besuchern gerechnet. Aufgrund der entspannten Sicherheitslage war im Gegensatz zum Vorjahr keine Voranmeldung erforderlich.
Gedenken im Zeichen der Gegenwart
Die diesjährige Dodenherdenking stand in vielerlei Hinsicht im Schatten aktueller weltpolitischer Spannungen. Premier Dick Schoof sprach in seiner alle fünf Jahre vorgesehenen Rede nicht nur über die Grausamkeiten der Vergangenheit, sondern betonte auch, wie schwer es sei, Mitgefühl in einer Zeit voller globaler Konflikte aufrechtzuerhalten. Die Worte „auf den dunkelsten Momenten hören wir eine Echo aus der Vergangenheit“ spiegelten das zentrale Motiv seiner Ansprache wider – und verbanden das historische Gedenken mit der Verantwortung in der Gegenwart. Wie NOS berichtet, erinnerte er an seinen Großvater, der wegen seines Widerstands gegen die nationalsozialistische Besatzung kurz vor Kriegsende hingerichtet wurde. Diese persönliche Note verlieh der offiziellen Zeremonie eine besondere Eindringlichkeit.
Auch Bürgermeisterin Femke Halsema fand klare Worte. In ihrer Rede vor dem stillen Marsch vom Museumplein zur Dam betonte sie die moralische Pflicht, nicht wegzuschauen, wenn weltweit Menschen unterdrückt, verfolgt oder getötet werden. Ihre Worte „‚Nie wieder‘ ist keine politische Parole, die manchmal gilt und manchmal nicht“ bezogen sich unter anderem auf aktuelle Kriegsverbrechen – mit offenkundigem Bezug auf Konflikte in Gaza und der Ukraine. Laut AD warnte sie, dass „Mütter und Kinder durch Bombenangriffe sterben, Städte in Ruinen versinken und wir dabei zusehen“. Ihre Botschaft schlug einen eindrucksvollen Bogen zwischen der Geschichte und den ethischen Herausforderungen der Gegenwart.
Vielfalt der Erinnerungsorte im ganzen Land
Nicht nur Amsterdam stand am 4. Mai still. In mehr als 480 niederländischen Gemeinden, so das Nationaal Comité 4 en 5 mei, wurden lokale Gedenkveranstaltungen abgehalten – vom friesischen Urk bis zum niederländisch-indonesischen Kamp Amersfoort. Auf der Waalsdorpervlakte, wo während der deutschen Besatzung mehr als 250 Widerstandskämpfer erschossen wurden, läutete die große Bourdon-Glocke. Auf dem Militärfriedhof Grebbeberg in Rhenen sprachen Staatssekretär Gijs Tuinman und Prinz Pieter-Christiaan. In Holten gedachten 4500 Menschen auf der kanadischen Ehrenfriedhofsstätte der alliierten Befreier, während auf dem NS-Erinnerungsort Kamp Amersfoort ebenfalls Kränze niedergelegt wurden.
Auch Gruppen, die lange nicht im Mittelpunkt standen, erhielten Beachtung. So wurde laut Telegraaf am Homomonument in Amsterdam und am Internationalen Homomonument in Den Haag an queere Widerstandskämpferinnen wie Ru Paré und Do Versteegh erinnert. Angehörige der Roma- und Sinti-Gemeinschaft forderten öffentliche Entschuldigungen der Behörden für ihre Mitverantwortung während der NS-Zeit.
Zwischen Würde und Wachsamkeit: Polizei im Fokus
Die diesjährige Herdenking verlief überwiegend ruhig – doch ganz ohne Zwischenfälle blieb sie nicht. Wie NU.nl und De Telegraaf berichten, wurden kurz nach dem Moment der Stille zwei Personen auf dem Dam festgenommen, die „Free Palestine“ riefen. Die Demonstration blieb ohne Eskalation, dennoch war die Polizei stark präsent. Bereits im Vorfeld wurden laut Telegraaf zwei Personen mit Keffiyehs vom Zugang zum Dam abgehalten. Die Behörden betonten, dass der Schutz der Würde der Veranstaltung oberste Priorität habe, und verwiesen auf eine „robuste“ Polizeipräsenz.
Junge Stimmen für das Erinnern von morgen
Eine Besonderheit der diesjährigen Veranstaltung war der Auftritt des 14-jährigen Marijn van der Wilk. Der Schüler hatte mit seinem Beitrag zum Wettbewerb „#GeefVrijheidDoor“ überzeugt und durfte nach den offiziellen Gedenkminuten auf dem Dam sprechen. Er erinnerte an die stillen Helden – Menschen aus dem Alltag, die im Krieg Zivilcourage bewiesen. Seine Worte, berichtet NU.nl, verbanden den Mut vergangener Generationen mit der Aufforderung, auch heute Haltung zu zeigen.
Auch der Fernsehjournalist Philip Freriks, der die 4.-Mai-Vorlesung in der Nieuwe Kerk hielt, sorgte für emotionale Tiefe. In seiner Rede schilderte er das Schicksal seines Bruders, der 1945 bei einem tragischen Friendly-Fire-Zwischenfall ums Leben kam. Die persönlichen Erinnerungen verband Freriks mit einem Appell an gesellschaftliche Verantwortung und Demokratie.
Verschiedene niederländische Medien
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