Wut und Gewalt: Dijksma in Bedrängnis
| von Redaktion
UTRECHT · Eine aufgeheizte Stadtratssitzung über einen Israel-Boykott ist am Donnerstagabend eskaliert: Bürgermeisterin Sharon Dijksma wurde von pro-palästinensischen Demonstranten bedrängt und konnte das Rathaus nur mit Hilfe der Sicherheitskräfte verlassen. Die Sitzung war wegen Tumulten unterbrochen worden, nachdem ein Antrag auf Boykott israelischer Produkte mit knapper Mehrheit abgelehnt worden war. Dijksma versuchte zunächst, deeskalierend einzugreifen, wurde jedoch draußen vor dem Gebäude massiv angefeindet. Sicherheitskräfte brachten sie in Sicherheit. Das demokratische Verfahren konnte später fortgesetzt werden.
Am Donnerstagabend kam es im Rathaus von Utrecht zu massiven Protesten pro-palästinensischer Demonstranten, nachdem der Stadtrat eine Bürger-Antrag zum Boykott israelischer Produkte und Organisationen knapp abgelehnt hatte. Auf der voll besetzten Zuschauertribüne eskalierte die Situation: Demonstrierende schrien lautstark Parolen wie „Blut an den Händen“ in Richtung der Ratsmitglieder. Bürgermeisterin Sharon Dijksma unterbrach die Sitzung und forderte die Protestierenden gemeinsam mit dem Ratsbüro und Sicherheitspersonal auf, das Gebäude zu verlassen. Einige folgten der Aufforderung, andere weigerten sich zunächst. Dijksma handelte nach eigenen Angaben instinktiv und begleitete die Gruppe persönlich nach draußen, um ein Einschreiten der Polizei zu verhindern. Vor dem Rathaus verschärfte sich die Lage jedoch. Demonstranten bedrängten Dijksma laut Medienberichten auf wenige Zentimeter und riefen sie aggressiv an. Als einige der Protestierenden sie an der Rückkehr ins Gebäude hinderten, entstand ein Handgemenge. Sicherheitskräfte zogen die Bürgermeisterin aus der Situation, setzten sie in ein Fahrzeug und brachten sie über einen Nebeneingang zurück in die Sitzung. Der Vorfall hatte keine Verletzten zur Folge, sorgte aber für erhebliche Beunruhigung unter den Ratsmitgliedern. Die Sitzung wurde später fortgesetzt, doch der Vorfall löste landesweit Reaktionen aus.
Dijksma: Deeskalation statt Polizei
Die Bürgermeisterin erklärte in mehreren Interviews, dass sie bewusst auf einen Polizeieinsatz verzichtet habe. Ein solcher Eingriff hätte zu drastischen rechtlichen Konsequenzen für die Demonstranten führen können, da das gewaltsame Stören einer Ratsversammlung in den Niederlanden als schweres Delikt gilt. Wie die Volkskrant berichtet, betonte Dijksma, dass die Polizei „weniger sanft“ vorgegangen wäre. Sie habe in dem Moment Verantwortung übernommen und versucht, eine Eskalation zu verhindern. Dabei sei sie jedoch selbst zur Zielscheibe geworden. Obwohl sie nicht körperlich angegriffen wurde, sprach sie von einer „intoleranten und bedrohlichen Atmosphäre“.
Gewalt vor dem Rathaus
Laut NU.nl verschärfte sich die Situation nach Verlassen der Ratsräume. Eine kleine Gruppe von Demonstranten versperrte Dijksma den Weg zurück ins Rathaus. Es kam zu körperlichem Gedränge, bei dem Sicherheitskräfte Schläge abbekamen. Die Bürgermeisterin selbst blieb unverletzt, stand aber laut eigener Aussage „mittendrin“. Erst durch das schnelle Eingreifen der städtischen Boten und Sicherheitskräfte konnte sie in Sicherheit gebracht werden.
Emotionaler Protest, aber klare Grenzen
Die Protestierenden hatten ihre Enttäuschung über das Abstimmungsergebnis lautstark geäußert. Die Gruppe Utrecht4Palestine zeigte sich zwar nicht reuig über den Vorfall, wie RTV Utrecht berichtet, betonte jedoch, dass es sich um eine spontane Reaktion gehandelt habe. Dijksma äußerte Verständnis für die emotionalen Reaktionen, machte jedoch deutlich, dass Aggression und Einschüchterung keinen Platz im demokratischen Diskurs haben dürften.
Reaktionen und politische Nachwirkungen
Die Eskalation rief auch politische Reaktionen hervor. Der Kommissar des Königs in der Provinz Utrecht, Hans Oosters, lobte das „mutige und entschlossene Handeln“ der Bürgermeisterin und verurteilte die Störung der Ratsversammlung ausdrücklich, meldet RTV Utrecht. Dijksma selbst forderte im Gespräch mit NRC und anderen Medien mehr Respekt für demokratische Prozesse. Sie äußerte zudem Sorge über die zunehmende Aggressivität bei öffentlichen Debatten in den Niederlanden, nicht nur im Zusammenhang mit Gaza, sondern auch bei anderen kontroversen Themen wie geplanten Asylzentren.
Der Versuch der Vermittlung
Während der Sitzung und auch danach betonte Dijksma ihre Rolle als Vermittlerin. Wie sie im Gespräch mit dem AD erklärte, sei es ihr wichtig gewesen, den Demonstranten einen Raum für ihren Protest zu geben, jedoch nicht im Sitzungssaal. Der Protest sei nachvollziehbar, die Mittel jedoch nicht akzeptabel. Sie sehe ihre Verantwortung darin, einerseits empathisch zu handeln, andererseits klare Grenzen zu setzen.
Keine Polizeibegleitung bei Ratsversammlungen
Im Rückblick auf die Ereignisse bezeichnete Dijksma gegenüber Radio 1 ein Szenario mit Polizeibegleitung bei künftigen Ratssitzungen als „Albtraum“. Solche Bilder sollten unbedingt vermieden werden. Dennoch sei es erschreckend, wie wenig Verständnis manche Demonstranten für die Regeln demokratischer Prozesse zeigten.
Sorge um die Demokratie
Dijksma stellte abschließend klar, dass sie sich Sorgen um den Zustand der politischen Kultur mache. Sie selbst sei an starke Auseinandersetzungen gewöhnt, doch die Art der Aggression, die ihr und ihren Kollegen am Donnerstag entgegenschlug, habe eine neue Qualität. Die Bürgermeisterin appellierte an Politikerinnen und Politiker, Verantwortung zu übernehmen und sich klar gegen Gewalt und Einschüchterung zu positionieren.
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