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Wolfsdebatte eskaliert: Angst, Wut, Stillstand

| von Redaktion

Ironischer Protestbanner in Drenthe | Foto: Holland.guide

DEN HAAG · Die Debatte über den Umgang mit Wölfen in den Niederlanden sorgt für heftige Emotionen und tiefgreifende politische Spaltung. Am Dienstagabend kam es in der Zweiten Kammer zu einem hitzigen Schlagabtausch zwischen den Parteien: Soll der Wolf aktiver verjagt oder gar abgeschossen werden? Während BBB, SGP und VVD auf eine Lockerung der Abschussregelungen drängen, warnen unter anderem die Partij voor de Dieren und GroenLinks-PvdA vor Panikmache und fordern mehr Prävention statt Kugeln. Doch trotz aller Gegensätze scheint klar: Der Druck auf die Politik wächst – nicht zuletzt durch dramatische Schilderungen über Angst auf dem Land und besorgte Tierhalter. Eine rasche Lösung ist jedoch nicht in Sicht.

Die Zweite Kammer diskutierte auf Antrag der BBB zum wiederholten Mal über den rechtlichen Umgang mit der wachsenden Wolfspopulation. Ganze elf Anträge hatte die Partei zuvor gestellt, bevor es zum jetzigen Plenardebatte kam. Der Andrang auf der Besuchertribüne war groß – mit vielen Unterstützern der BBB, die sich durch das bloße Stattfinden des Debatte bereits gestärkt fühlten. Caroline van der Plas, Parteichefin der BBB, eröffnete die Debatte mit einem leidenschaftlichen Appell gegen das bisherige Wolfsmanagement. Ihrer Meinung nach leben Menschen in ländlichen Regionen in „täglicher Angst“, da Wölfe nicht nur Schafe, sondern auch Hunde, Jogger und Kinder bedrohten. Sie prangerte an, dass die bisherigen Maßnahmen unzureichend seien und Experten die Gefahr der Tiere systematisch unterschätzt hätten. Der Widerstand ließ nicht lange auf sich warten: Ines Kostic (Partij voor de Dieren) warf Van der Plas gezielte Panikmache vor und verwies auf fehlende Schutzmaßnahmen bei einem Großteil der Zwischenfälle. Auch Anne-Marijke Podt (D66) kritisierte die Darstellung als übertrieben und forderte einen realistischeren Umgang mit Zahlen und Fakten. Gleichzeitig brachte das Debatte altbekannte Konfliktlinien erneut zutage: zwischen Stadt und Land, Schutzstatus und Handlungsdruck, sowie zwischen Emotionalisierung und wissenschaftlicher Einordnung.

Hitze, Hetze und hilflose Politik

Die Debatte entwickelte sich rasch zu einem Spiegel der gesellschaftlichen Polarisierung. Während konservative Parteien wie BBB, SGP und teilweise auch NSC und VVD den Wolf als reale Gefahr für Bevölkerung und Viehwirtschaft darstellen, halten Parteien der linken Mitte dagegen. Van der Plas nutzte drastische Bilder: Horrorszenarien von attackierten Kindern, gejagten Joggern und permanent verängstigten Landbewohnern dominierten ihre Wortbeiträge. Dion Graus (PVV) stimmte der BBB-Chefin inhaltlich teilweise zu, attackierte sie jedoch scharf wegen angeblicher Falschaussagen zur Debatthistorie. Beide reichten letztlich gemeinsam eine Motion ein, in der zwei neue Untersuchungen zum Wolf gefordert werden – ein seltenes Bündnis zweier populistischer Parteien.

Auch Graus brachte einen eigenen Lösungsvorschlag ein: Er plädierte für die Sterilisation von Wölfen statt für Abschuss, warnte aber gleichzeitig davor, das Tier zum „Paria“ zu erklären. „Nederland is geen leuk land voor de wolf“, erklärte er sarkastisch, wie NOS berichtet. Die Wortwahl führte zu offenem Streit mit anderen Parteien, insbesondere mit dem SGP-Abgeordneten Flach, der sich durch Graus’ Aussagen persönlich angegriffen fühlte. In der Debatte wurde zudem deutlich, wie viele Menschen Graus zufolge ihn persönlich wegen seiner Wolfs-Statements bedrohten – ein „bombardement aan e-mails“ von sogenannten „wolvenhaters“, wie AD schreibt.

Währenddessen betonte GroenLinks-PvdA-Abgeordnete Laura Bromet, dass die Sorge zwar nachvollziehbar sei, man jedoch die Relationen nicht aus dem Blick verlieren dürfe: „Zwischenfälle mit Hunden führen jährlich zu weit mehr Verletzten und sogar Toten als alle Wolfsattacken zusammen.“ Sie warf Van der Plas vor, Angst gezielt zu instrumentalisieren. Statistiken zeigten zudem, dass viele Zwischenfälle mit Wölfen durch fehlende Präventionsmaßnahmen, wie etwa wolfssichere Zäune, hätten verhindert werden können – eine Argumentation, die auch Kostic unterstützte.

Gespaltene Zuständigkeiten und Forderungen nach Veränderung

Neben der grundsätzlichen Frage des Umgangs mit Wölfen wurde auch die unklare Zuständigkeitsstruktur kritisiert. CDU, VVD und BBB zeigten sich irritiert darüber, dass Bürgermeister innerhalb ihrer Gemeindegrenzen nicht für angrenzende Wälder zuständig sind. Hier seien laut ihnen die Provinzen gefordert. Staatssekretär Jean Rummenie (BBB) wurde beauftragt zu prüfen, ob hier eine „andere Balance“ möglich sei – wie NOS berichtet. Parallel dazu arbeitet er an einer Definition für sogenannte „Problemwölfe“, deren Verhaltensweisen ein aktiveres Eingreifen rechtfertigen könnten. Außerdem steht die Idee sogenannter „wolfvrije zones“ im Raum – Regionen, in denen Menschen und Vieh besser geschützt sein sollen.

Ein Beispiel für die zunehmenden Spannungen liefert die Provinz Friesland. Laut Binnenlandsbestuur.nl wurden dort allein in den ersten Monaten dieses Jahres 69 Angriffe auf Nutztiere gemeldet. Die Provinz fordert vom Staat mehr Handlungsspielraum im Wolfsmanagement und verweist auf eine gewachsene Population, die zunehmend auch bewohnte Gebiete erreiche. Ein neuer Managementplan wird derzeit im Interprovinciaal Overleg (IPO) beraten.

Der Wolf bleibt – vorerst

Trotz aller Kontroversen bleibt der politische Status quo vorerst bestehen: Die streng geschützte Stellung des Wolfs ist durch europäisches Recht gesichert. Zwar wird in Brüssel an einer Neubewertung gearbeitet, aber konkrete nationale Lockerungen bleiben derzeit rechtlich schwierig umsetzbar. Staatssekretär Rummenie kündigte an, sich für „maßgeschneiderte Lösungen“ innerhalb der EU stark zu machen, da die Niederlande das am dichtesten besiedelte Land Europas seien. Ein schneller Konsens scheint jedoch kaum möglich.

Bis dahin dürften weitere hitzige Debatten folgen – auch wenn die Emotionen in dieser Debatte wohl kaum noch zu überbieten sind.

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