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Windmühlen im Reichswald entfachen Grenzstreit

| letzte Änderung 11.07.2025 11:07 | von Redaktion

Der Reichswald liegt direkt an der niederländischen Grenze. | Foto: Holland.guide

GROESBEEK · Windrad-Pläne sorgen für diplomatischen Zündstoff: Trotz massiver Proteste aus den Niederlanden und Deutschland hat der Regionalrat in Düsseldorf den Bau riesiger Windräder im Reichswald nahe Groesbeek genehmigt. Der Beschluss betrifft eine Fläche von 64 Hektar, auf der Windturbinen mit einer Höhe von bis zu 270 Metern entstehen könnten. Niederländische Anwohner, Natur- und Tourismusverbände laufen Sturm und sprechen von einem „Industriegebiet mitten in der Natur“. Selbst in der Tweede Kamer in Den Haag wird der Fall inzwischen diskutiert. Gemeinden auf beiden Seiten der Grenze erwägen rechtliche Schritte gegen das Vorhaben.

Der Streit um die geplanten Windkraftanlagen im Reichswald an der Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden spitzt sich zu. Trotz heftiger Proteste aus Groesbeek, Nijmegen, Berg en Dal und umliegenden deutschen Ortschaften hat der Regionalrat in Düsseldorf beschlossen, das regionale Flächennutzungsprogramm zugunsten der Windkraft anzupassen. Damit dürfen auf einer Fläche von 64 Hektar entlang der Kartenspielerweg Windturbinen errichtet werden, die nach derzeitigen Plänen eine Höhe von bis zu 270 Metern erreichen können. Diese Entscheidung sorgt seit Tagen für Aufregung, nicht nur vor Ort, sondern inzwischen auch auf politischer Ebene in Den Haag.

Schon seit 2017 gibt es Pläne für Windräder im Reichswald, die von Anfang an umstritten waren. Das betroffene Waldgebiet ist als Naherholungsgebiet sehr beliebt und grenzt unmittelbar an niederländische Natur- und Wohngebiete. Kritiker auf beiden Seiten der Grenze warnen vor massiven Auswirkungen auf Landschaftsbild, Tourismus und Natur, insbesondere auf niederländische Schutzgebiete. Dennoch wurde der Bau jetzt mit deutlicher Mehrheit beschlossen. Der Regionalrat verweist dabei auf den Vorrang von Klimaschutz und Energiewende und betont, dass lediglich etwa 1,25 Prozent des gesamten Reichswalds betroffen seien.

Doch viele Gegner wollen diese Argumentation nicht hinnehmen. Insbesondere die Vereniging Nederlands Cultuurlandschap kündigte juristische Schritte an und spricht von einem „Wahnsinnsprojekt mitten in der Natur“. Auch mehrere niederländische Gemeinden wie Berg en Dal, Gennep und Mook & Middelaar versuchen seit Monaten, den Bau zu verhindern. Sie werfen den deutschen Behörden vor, europäische Naturschutzregeln zu ignorieren und die Nachbarländer nicht ausreichend eingebunden zu haben.

In der Tweede Kamer in Den Haag hat D66-Abgeordnete Ilana Rooderkerk das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Sie verlangt vom niederländischen Ministerium für Klima und Grüne Entwicklung eine klare Haltung und fragt, ob das Kabinett die deutschen Pläne rechtlich stoppen könne. Zudem fordert sie mehr Unterstützung für Gemeinden, die durch teure Klagen an ihre Grenzen stoßen.

Auch bei den Bürgern ist der Widerstand ungebrochen. Eine Allianz aus Bürgerinitiativen, Gemeinden und Umweltorganisationen prüft derzeit gemeinsam Klagen gegen das Projekt. Aktivisten warnen vor Lärm, „Horizonverschmutzung“ und einem Einbruch des Tourismus. Bei der Sitzung in Düsseldorf protestierten rund 30 Gegner lautstark. Einer von ihnen warf den deutschen Entscheidungsträgern vor, „sich schämen zu müssen“, während sie die europäische Flagge hissen.

Die Gemeinden auf beiden Seiten der Grenze prüfen weiterhin juristische Optionen. Das endgültige Genehmigungsverfahren für den Bau der Windräder steht allerdings noch aus. Erst wenn konkrete Bauanträge vorliegen, können weitere Klagen eingereicht werden.

Hintergrund und politischer Streit um die Windräder

Die Regionalregierung in Düsseldorf sieht sich durch die deutsche Gesetzgebung zum Ausbau erneuerbarer Energien verpflichtet, geeignete Flächen für Windkraftanlagen auszuweisen. Nach Auffassung der Behörde ist der Reichswald ein solcher Standort, weil der Eingriff in die Natur im Verhältnis zur Größe des Gebiets aus ihrer Sicht gering ausfällt. Der betroffene Bereich von 64 Hektar liegt im südlichen Teil des Reichswalds, entlang der Kartenspielerweg, einem rund vier Kilometer langen Waldweg, der auch von der niederländischen Seite aus gut sichtbar ist. Nach Berechnungen der Behörde würden lediglich rund 0,125 Prozent des Gesamtwaldes tatsächlich bebaut, da Windräder, Fundamente, Kranstellflächen und neue Wege nur einen Bruchteil der Fläche beanspruchen. Zudem betont der Regionalrat, dass der Großteil des Reichswalds weiterhin ungestört für Spaziergänger und Touristen zugänglich bleibt.

Doch diese Darstellung stößt bei vielen Anwohnern und Gemeinden auf völliges Unverständnis. Sie verweisen auf die außergewöhnliche Lage der geplanten Windräder, die teils bis zu 60 Kilometer weit sichtbar sein sollen, und warnen vor einer massiven „Industrialisierung“ des Naturraums. Insbesondere die Gemeinden Berg en Dal, Gennep und Mook & Middelaar werfen der deutschen Seite vor, gegen europäische Vereinbarungen zu verstoßen. Sie berufen sich dabei auf das Espoo-Übereinkommen und das Aarhus-Abkommen, die eine grenzüberschreitende Abstimmung bei solchen Großprojekten vorschreiben. Nach Ansicht der Gegner wurden diese Absprachen missachtet. Der Kreis Kleve in Deutschland teilt diese Bedenken teilweise, zeigte sich aber bisher zurückhaltender im Protest.

Auch der politische Druck in den Niederlanden wächst. In der Tweede Kamer stellte Ilana Rooderkerk von D66 bereits konkrete Fragen an das Ministerium für Klima und Grüne Entwicklung. Sie verlangt unter anderem eine klare Einschätzung zur Anzahl der betroffenen niederländischen Haushalte, eine Prüfung möglicher Vertragsverletzungen durch Deutschland sowie staatliche Hilfe für klagende Gemeinden. Rooderkerk kritisierte zudem die hohen Kosten, die niederländischen Kommunen durch vergebliche Klageversuche entstehen, und fordert, dass die nationale Regierung aktiv eingreift.

Juristische Schritte und regionaler Widerstand

Während die politische Debatte Fahrt aufnimmt, bereiten Bürgerinitiativen, Umweltverbände und Gemeinden auf beiden Seiten der Grenze bereits weitere juristische Schritte vor. Die Vereniging Nederlands Cultuurlandschap (VNC) aus Groesbeek, die als besonders klageerfahren gilt, koordiniert den Widerstand auf niederländischer Seite. Sie spricht von einem „absurden Projekt“ und betont, dass es genügend alternative Flächen für Windkraftanlagen gebe, die nicht mitten in sensiblen Naturgebieten liegen. Aus Sicht der VNC werden in Deutschland gezielt Naturschutzvorgaben aufgeweicht, doch letztlich könnten die europäischen Naturschutzregeln, die über der deutschen Gesetzgebung stehen, einen entscheidenden Hebel bieten. Insbesondere die Richtlinien zur Habitat- und Vogelschutzgebieten gelten in diesem Zusammenhang als zentrale Argumentationsgrundlage.

Die niederländischen Gemeinden wiederum setzen auf eine koordinierte Strategie. In einem eigens eingerichteten „Taskforce“-Bündnis arbeiten Berg en Dal, Gennep und Mook & Middelaar mit Bürgerinitiativen, Tourismusverbänden und Umweltgruppen zusammen. Das Bündnis sammelt aktuell rechtliche Gutachten und prüft alle möglichen Einspruchsverfahren. Auch die Provinzen Gelderland und Limburg wurden in die Beratungen eingebunden. Mehrere Einwohnerinitiativen bieten zudem Hilfe beim Verfassen von Einwänden an, um möglichst viele private Proteste gegen die Windräder zu mobilisieren.

Besonders im Fokus steht dabei die Frage, ob Deutschland seine Planungspflichten gegenüber den Niederlanden verletzt hat. Die betroffenen Gemeinden argumentieren, dass durch die extrem hohe Bauhöhe der geplanten Windräder eine intensive Auswirkung auf die Nachbarregionen zu erwarten sei. Die Türme sollen mit einer Höhe von 266 Metern errichtet werden, wobei sie durch die Lage auf einer Anhöhe zusätzlich etwa 30 Meter höher wirken. Damit würde der Blick auf die bislang unberührte Hügellandschaft entlang der niederländischen Grenze dauerhaft verändert.

Auch auf emotionaler Ebene ist der Widerstand groß. Bei den öffentlichen Sitzungen in Düsseldorf kam es zu hitzigen Szenen. Niederländische Aktivisten machten ihrem Ärger lautstark Luft und warfen den deutschen Entscheidungsträgern mangelndes Nachbarschaftsverhalten vor. Der Frust ist insbesondere bei jenen groß, die vom Tourismus leben. Viele fürchten, dass Gäste künftig ausbleiben, sobald die riesigen Anlagen das Landschaftsbild dominieren. Gleichzeitig sorgen sich Anwohner um gesundheitliche Belastungen durch Lärm und Schattenwurf der Windräder.

Die Gemeinden in der Grenzregion halten daher an ihrem Widerstand fest. Auch wenn die Planungen aus deutscher Sicht vorangeschritten sind, könnten noch gerichtliche Verfahren folgen. Solange kein endgültiger Bauantrag eingereicht wurde, bleibt Spielraum für weitere Klagen, sowohl gegen den Regionalplan selbst als auch gegen spätere Genehmigungen. Das Thema wird somit die Gerichte wohl noch länger beschäftigen.

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