DEN HAAG · Die Diskussion um ein TikTok-Verbot hat nach der Entscheidung der USA, die App landesweit zu verbieten, auch in Europa und den Niederlanden Fahrt aufgenommen. Experten und Politiker debattieren nicht nur über die Sicherheit von Nutzerdaten, sondern auch über die Auswirkungen eines Verbots auf Nutzer, Influencer und Unternehmen. Während in den Niederlanden bislang keine konkreten Maßnahmen beschlossen wurden, schließt die Regierung ein solches Verbot langfristig nicht aus.

TikTok ist bei niederländischen Jugendlichen eine der beliebtesten Apps. Doch in den letzten Monaten wuchs die Kritik: Die Speicherung sensibler Daten und der Einfluss der chinesischen Regierung sorgen für Besorgnis. Bereits jetzt ist TikTok auf Diensthandys von Rijksambtenaren verboten. Diese Entscheidung folgt einer Empfehlung des AIVD, der niederländischen Inlandsgeheimdienste.

Datenschutz und nationale Sicherheit

Die Datenschutzdebatte ist zentral in der Diskussion. Kritiker werfen TikTok vor, persönliche Daten seiner Nutzer an die chinesische Regierung weiterzugeben. Laut der niederländischen Datenschutzbehörde werden Apps aus Ländern wie China und Russland besonders kritisch beobachtet. Bereits im Jahr 2023 riet die niederländische Regierung, TikTok auf Regierungsgeräten zu entfernen. Ähnliche Maßnahmen haben andere europäische Länder, wie Belgien und das Vereinigte Königreich, eingeführt.

Auswirkungen eines Verbots

Ein Verbot hätte weitreichende Folgen für niederländische Influencer und Unternehmen. Joey Scheufler, Social-Media-Experte bei Prappers Media Group, erklärte in einem Interview mit dem AD, dass etwa 40 Prozent der TikTok-Trends aus den USA stammen. Die Inspiration für viele Inhalte würde ohne die amerikanischen Nutzerbasis stark eingeschränkt. „TikTok ist nicht nur eine Plattform für Unterhaltung, sondern auch für Marketing und Geschäft,“ sagt Scheufler zu dem AD.

Ein Wechsel zu anderen Plattformen wie Instagram Reels oder YouTube Shorts erscheint logisch, doch laut Experten bieten diese nicht die gleiche Reichweite und Algorithmen wie TikTok. Scheufler im AD betont, dass TikToks Algorithmus einzigartig sei und sowohl Nutzer als auch Content-Ersteller stark binde. In Indien, wo TikTok 2020 verboten wurde, setzten viele Nutzer auf VPNs oder wechselten zu chinesischen Alternativen wie Rednote. Dies wirft jedoch neue Sicherheitsfragen auf.

Politische Haltung

In der niederländischen Politik gibt es unterschiedliche Meinungen. Während einige Politiker ein europaweites Verbot fordern, setzen andere auf strengere Datenschutzregulierungen. Die Europäische Kommission untersucht aktuell die Praktiken von TikTok und ähnlichen Apps. Laut NPO 3 befürwortet eine Mehrheit der niederländischen Jugendlichen ein Verbot, doch unter aktiven TikTok-Nutzern sind nur 23 Prozent dafür.

Bildung und soziale Medien

Das Thema soziale Medien wird auch im Unterricht niederländischer Schulen behandelt. In der Dokumentation "De schaduw van het scherm - Documentaire", die durch drei Schüler erstellt wurde und auf YouTube verfügbar ist, wird eindrucksvoll beleuchtet, wie soziale Medien das Verhalten und die Gehirnprozesse von Jugendlichen beeinflussen. Die Dokumentation geht unter anderem auf die Rolle von Dopamin ein, das beim Scrollen von Plattformen wie TikTok freigesetzt wird, und untersucht die Auswirkungen auf Konzentration, Produktivität und mentale Gesundheit. Neben den negativen Effekten zeigt sie auch auf, wie soziale Medien als Motivator für sportliche Aktivität und andere positive Entwicklungen dienen können. Dieses umfassende Bild verdeutlicht, wie tiefgreifend digitale Plattformen das Leben junger Menschen prägen.

Ein TikTok-Verbot in den Niederlanden bleibt vorerst unwahrscheinlich, doch der politische Druck könnte zunehmen, sollten Sicherheitsbedenken nicht ausgeräumt werden. Die Debatte wirft grundsätzliche Fragen zur Regulierung von Social Media und dem Schutz persönlicher Daten auf.