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Stromnetz-Kollaps droht: Ausbau auf Eis

| von Redaktion

Hochspannung - auch in Den Haag | Foto: Holland.guide

UTRECHT · Energiekrise durch Genehmigungsstau: Der Ausbau des niederländischen Stromnetzes gerät zunehmend ins Stocken. Wie Netzbetreiber Liander mitteilt, stehen hunderte Bauprojekte zur Verstärkung des Stromnetzes auf der Kippe – wegen ausbleibender Entscheidungen zur Stickstoffpolitik in der aktuellen Haushaltsplanung. Betroffen sind insbesondere dichtbesiedelte und energieintensive Regionen wie Gelderland und Flevoland, wo bereits Wartezeiten für neue Anschlüsse entstehen. Die fehlende Netzinfrastruktur gefährdet dabei nicht nur Unternehmen und Neubaugebiete, sondern auch die Energiewende insgesamt. Die Lage spitzt sich zu – denn ohne Stromausbau droht der Umstieg auf Elektromobilität und Solarenergie zu scheitern.

Die Versorgung mit Strom wird in den Niederlanden zur logistischen Herausforderung – besonders für Großverbraucher. In Regionen wie Gelderland, Friesland oder Flevoland sind laut den aktuellen Congestierapporten kaum noch freie Kapazitäten vorhanden. Das hat weitreichende Folgen: Neue Großanschlüsse sind kaum möglich, bestehende Ausbauten verzögern sich. Laut Liander betrifft das allein 317 Bauprojekte, die für die Energiewende von zentraler Bedeutung wären – darunter Transformatorstationen, Stromkabel und Umspannwerke. Doch genau diese Infrastrukturprojekte stocken jetzt, weil es an rechtlicher Planungssicherheit fehlt.

Ein zentraler Knackpunkt ist der Umgang mit Stickstoffemissionen. Der niederländische Staat wurde gerichtlich verpflichtet, die Belastung von Natura-2000-Gebieten drastisch zu senken. Dazu gehört auch, dass Bauprojekte, die zusätzliche Stickstoffemissionen verursachen, nur noch schwer genehmigt werden. Die Konsequenz: Netzbetreiber wie Liander dürfen neue Projekte oft nicht mehr realisieren – selbst wenn sie zur Reduktion von Emissionen beitragen würden. Ein Paradox, das sich politisch bislang nicht aufgelöst hat.

Netzausbau behindert – Energiewende in Gefahr

Die Hoffnung der Netzbetreiber auf einen Durchbruch im Stickstoffkonflikt wurde mit der aktuellen Voorjaarsnota enttäuscht. Obwohl das Kabinett eine Kommission zur Lösung der Stickstoffproblematik eingesetzt hat, blieb ein Maßnahmenpaket aus. „Duidelijkheid vanuit Den Haag is essentieel“, mahnt Liander-Direktor Huibert Baud laut RTL Nieuws. Statt Klarheit herrscht Planungschaos – und der Netzausbau kommt zum Erliegen.

Die Folge: Unternehmen, Wohnbauprojekte und Energiegenossenschaften, die auf neue oder stärkere Netzanschlüsse warten, stehen in der Warteschlange. Laut Liander sind bereits mehr als 20.000 Anträge betroffen – mit steigender Tendenz. Ein Beispiel: In Wognum (Noord-Holland) können derzeit fünfzig Neubauhäuser nicht ans Stromnetz angeschlossen werden, weil es an Netzkapazitäten fehlt. Auch in anderen Teilen des Landes – etwa auf Walcheren in Zeeland – muss mit Notsystemen wie Dieselaggregaten gearbeitet werden, um Feiertagsspitzen rundum Ostern abzufangen, wie NOS und Omroep Zeeland berichten.

Dabei investieren die Netzbetreiber eigentlich massiv in ihre Infrastruktur. Liander hat allein 227 Untersuchungen zur Netzerweiterung nach neuen Regeln abgeschlossen. Doch die Umsetzung scheitert oft an der unzureichenden Genehmigungspraxis. Selbst flexible Ansätze wie freiwillige Verbrauchsreduktionen von Großkunden (sogenanntes „flexibel vermogen“) bringen kaum Entlastung: Nur 4,8 Megawatt zusätzliches Potenzial wurden so bisher identifiziert – zu wenig, um dem drohenden Kollaps zu entkommen.

Natura-2000-Gebiete blockieren Stromprojekte

Ein besonders kritischer Brennpunkt ist die Veluwe in Gelderland – ein fast 90.000 Hektar großes Natura-2000-Gebiet. Die Provinzregierung hat dort angekündigt, für eineinhalb Jahre keine neuen Genehmigungen für Projekte mit zusätzlichem Stickstoffausstoß zu erteilen. Das betrifft auch den Bau von Umspannwerken oder dicken Stromkabeln. Ironischerweise sind es genau diese Projekte, die langfristig zur Reduktion von Emissionen beitragen würden, etwa durch E-Ladestationen und elektrische Heizsysteme.

Ohne Ausnahmegenehmigungen für strombezogene Bauprojekte droht die Energiewende nicht nur zu verzögern, sondern zu scheitern. Auch kreative Lösungen wie in Harderwijk – dort konnte ein Stromprojekt nur realisiert werden, weil eine Fußballanlage zeitweise auf Kunstdünger verzichtete – sind nicht skalierbar. Liander und andere Netzbetreiber fordern deshalb einen gesetzlichen Sonderstatus für Netzausbauprojekte. Bis dahin bleibt vielen nur: warten.

Was jetzt passieren muss

Die Energiewende in den Niederlanden ist eine Infrastrukturfrage – und die lässt sich nur politisch lösen. Netzbetreiber wie Liander und TenneT liefern Daten, Berichte und Pläne. Doch ohne politische Rückendeckung, insbesondere im Stickstoffkonflikt, bleibt der Netzausbau gebremst. Das Land steht vor der Wahl: Entweder eine saubere, elektrische Zukunft – oder ein Flickenteppich aus Notaggregaten und Stromrationierung. Dafür braucht es eine mutige Entscheidung aus Den Haag – nicht in Monaten, sondern jetzt. Sonst wird der Strom nicht nur teurer, sondern auch unzuverlässiger.

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