Skandal bei Vindicat: Brandzeichen im Gesicht
| von Redaktion

GRONINGEN · Erneuter Skandal um niederländische Studentenverbindung: Während eines Wochenendausflugs in Friesland haben zehn Erstsemester-Mitglieder der traditionsreichen Groninger Studentenvereinigung Vindicat atque Polit erstgradige Brandwunden im Gesicht erlitten. Laut mehreren niederländischen Medien wie NOS, Sikkom und De Telegraaf sollen die Verletzungen durch ein mutmaßliches Brandritual entstanden sein, ausgeführt vom internen Disput „TYR“. Die Vorfälle geschahen außerhalb des offiziellen Rahmens der Verbindung. Die Universität Groningen und die Stadtverwaltung wurden informiert. Ein internes Untersuchungsverfahren läuft.
Die Vorfälle ereigneten sich während eines als privat organisierten Disput*-Wochenendes der Gruppe TYR, die innerhalb von Vindicat aktiv ist. Wie NOS unter Berufung auf lokale Medien berichtet, wurden dabei zehn Erstsemester der Groninger Studentenverbindung verletzt. Die Betroffenen kehrten mit sichtbaren Brandwunden im Gesicht zurück. Es handelt sich laut offiziellen Angaben um erstgradige Verbrennungen. Ob es sich um ein bewusstes Brandmarken handelt, wird derzeit intern geprüft. Die Leitung von Vindicat, vertreten durch Vorsitzenden Wibe Kaak, bestätigte gegenüber verschiedenen Medien das Geschehen und betonte, dass der Vorfall außerhalb des offiziellen Rahmens der Studentenverbindung stattgefunden habe. Kaak hat den Verletzten geraten, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Ob dies erfolgt ist, konnte die Polizei laut RTL Nieuws bislang weder bestätigen noch dementieren. Auch die Rijksuniversiteit Groningen (RUG) wurde informiert, ebenso wie die Gemeinde Groningen. Bürgermeisterin Mirjam van ’t Veld verurteilte den Vorfall als „volstrekt ontoelaatbaar“, also völlig inakzeptabel, und kündigte Gespräche mit der Verbindung an.
Update (23. Mai 2025, 20:30 Uhr):
Groningen · Nach dem Skandal um mutmaßliche Brandmarkungen hat die Studentenverbindung Vindicat atque Polit angekündigt, alle Verbindungen zum internen Disput TYR aufzulösen. Wie die NOS berichtet, wird das umstrittene Untergruppengebilde vollständig aufgelöst. Zudem wurde das Mitglied, das für das „Brandmarken mit einem heißen Stock“ verantwortlich gemacht wird, aus der Verbindung ausgeschlossen.
Hintergründe zu Studentenverbindungen in den Niederlanden
Was sind Studentenverbindungen wie Vindicat?
In den Niederlanden sind Studentenverbindungen (studentenverenigingen) traditionell organisierte Gruppen, die das soziale Leben von Studierenden strukturieren. Sie bieten eine Gemeinschaft, in der sich neue Studierende vernetzen können. Anders als in Deutschland handelt es sich meist nicht um politisch oder ideologisch geprägte Organisationen, sondern um elitäre Netzwerke mit eigenen Häusern, Veranstaltungen und oft jahrhundertealten Ritualen. Vindicat wurde bereits 1815 gegründet und zählt zu den ältesten Verbindungen des Landes.
Aufnahme und Mitgliedschaft
Die Mitgliedschaft erfolgt typischerweise zu Beginn des Studiums im Rahmen einer sogenannten ontgroening – einer Einführungs- bzw. Initiationsphase, die von Kritikern seit Jahren wegen Demütigungen, Machtmissbrauch und gefährlicher Rituale kritisiert wird. Wer aufgenommen wird, kann lebenslang Mitglied bleiben, viele aktive Mitglieder organisieren sich zusätzlich in disputen, kleineren Untergruppen wie hier TYR.
Regeln und Kontrolle
Verbindungen wie Vindicat stehen regelmäßig in der Kritik. Bereits 2016 wurde ein „Bangalijst“ – eine sexistische Bewertungsliste von Studentinnen – publik. 2022 kam es zu Ausschreitungen in einem Sushi-Restaurant. Und noch im März 2025 wurden 80 Mitglieder wegen Fehlverhaltens während einer Skireise in Frankreich suspendiert. Die Universität Groningen und die Stadt fordern daher eine strikte Einhaltung von Verhaltensnormen – auch bei inoffiziellen Veranstaltungen. Obwohl Vindicat beteuert, Disziplin und Eigenverantwortung zu fördern, zeigen die wiederholten Vorfälle strukturelle Defizite auf.
Der aktuelle Fall im Kontext
TYR und die Vorwürfe
Das Disput TYR ist laut einem Bericht der Akkreditierungskommission von 2018 eine Gruppe, die innerhalb Vindicats agiert und von manchen als „intimiderend“ – also einschüchternd – empfunden wird, so Sikkom. Trotz früherer Kritik wurden anscheinend keine disziplinarischen Konsequenzen gezogen. Der aktuelle Vorfall deutet auf ein Eskalationspotenzial hin, das mit bloßem Fehlverhalten nicht mehr zu erklären ist.
Interne Aufarbeitung oder externe Folgen?
Obwohl TYR den Vorfall selbst an das Vindicat-Präsidium gemeldet hat, kritisieren Beobachter, dass strukturelle Sanktionen bislang ausgeblieben sind. Die Universität hat zwar Maßnahmen angekündigt, aber keine konkreten Schritte benannt. Die Staatsanwaltschaft hat sich bisher nicht offiziell geäußert. Ein Strafverfahren wegen Körperverletzung wäre jedoch denkbar, sollten sich die Vorwürfe bestätigen.
Keine Einzelfälle: Exzesse auch außerhalb von Groningen
Der aktuelle Vorfall bei Vindicat ist kein isoliertes Ereignis. Auch in anderen niederländischen Universitätsstädten wie Maastricht, Leiden, Utrecht oder Delft gerieten Studentenverbindungen in den vergangenen Jahren immer wieder wegen übergriffiger Rituale und inakzeptablen Verhaltens in die Schlagzeilen. Besonders während der „ontgroening“, der Einführungsphase für neue Mitglieder, kam es wiederholt zu körperlicher und psychischer Grenzüberschreitung. Die Universität Leiden suspendierte bereits mehrfach Verbindungen nach übergriffigen Aufnahmeritualen, während in Utrecht Alkoholexzesse und sexistische Vorfälle in den Fokus rückten. Diese Vorfälle verdeutlichen, dass das Problem nicht nur bei Vindicat liegt, sondern symptomatisch ist für ein elitäres Selbstverständnis und veraltete Machtstrukturen innerhalb vieler Studentenverbindungen in den Niederlanden. Forderungen nach strengeren Auflagen, transparenter Kontrolle und besseren Schutzmechanismen für neue Mitglieder werden deshalb auch auf nationaler Ebene lauter.
Der jüngste Skandal um mutmaßliche Brandzeichen im Gesicht von zehn Studierenden wirft erneut ein grelles Licht auf die dunklen Seiten studentischer Elitenkultur in den Niederlanden. Trotz offizieller Distanzierung und interner Untersuchungen bleibt der Eindruck, dass sich innerhalb von Verbindungen wie Vindicat gefährliche Rituale und Machtmissbrauch weiter fortsetzen. Es liegt nun an Universität, Stadtverwaltung und Justiz, deutliche Konsequenzen zu ziehen – und an der Gesellschaft, solche Strukturen kritisch zu hinterfragen.
*Disput: kleinere, feste Untergruppe innerhalb der größeren Studentenvereinigung.
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