Polizeigewalt stagniert – Beschwerden nehmen zu
| von Redaktion

UTRECHT · Zahl polizeilicher Gewalteinsätze stagniert, Beschwerden steigen deutlich an: Trotz stabiler Zahlen beim Einsatz von Gewalt durch niederländische Polizeikräfte hat die Zahl der Beschwerden darüber im Jahr 2024 spürbar zugenommen. Während bei rund drei Millionen Polizeieinsätzen knapp 36.000 Mal Gewalt angewendet wurde – ähnlich wie im Vorjahr – verzeichnete das Beschwerdemanagement einen deutlichen Anstieg, insbesondere im Kontext von Demonstrationen und gesellschaftlichen Unruhen. Die Polizei kündigte an, die Ursachen wissenschaftlich untersuchen zu lassen und setzt auf Schulung und Reflexion, um Gewalt so weit wie möglich zu vermeiden.
Im Jahr 2024 kam es in den Niederlanden bei insgesamt rund drei Millionen polizeilichen Einsätzen in 36.151 Fällen zum Einsatz von Gewalt – eine Zahl, die nahezu identisch mit der des Vorjahres ist. Damit lag die Gewaltanwendung bei 0,74 Prozent aller Einsätze. Besonders auffällig: Die Zahl der Beschwerden über polizeiliches Fehlverhalten stieg auf 900 – gegenüber rund 750 im Jahr 2023. Die Polizei sieht hierin Anlass zur vertieften Analyse und kündigt weitere wissenschaftliche Untersuchungen an. Vor allem bei Protestaktionen, wie den Studentenprotesten an der Universität von Amsterdam oder den Blockadeaktionen von Klimaaktivisten, häuften sich Beschwerden über übermäßige Gewaltanwendung. In 295 Fällen wurde nach interner Prüfung festgestellt, dass die Gewaltanwendung nicht oder nur teilweise den internen Standards entsprach. Zwar wird Gewalt als letztes Mittel angesehen, doch fordern sowohl Fachleute als auch Polizeivertreter verstärkte Ausbildung und Sensibilisierung, um Konflikte möglichst gewaltfrei zu bewältigen.
Stabilisierung bei Einsatzhäufigkeit – doch Ursachen noch unklar
Die Polizei berichtet, dass sich nach Jahren steigender Zahlen nun eine Stabilisierung beim Einsatz von Gewalt abzeichnet. Während 2023 35.989 Fälle registriert wurden, waren es 2024 minimal mehr mit 36.151 Fällen. Die genauen Gründe für diese Entwicklung sind laut Angaben der Polizei noch unklar, weshalb ergänzende wissenschaftliche Untersuchungen laufen. Polizeichef Peter Holla betont, dass Gewalt stets das letzte Mittel darstelle und vorrangig der Deeskalation dienen solle – in vielen Fällen sei schon das Drohen mit einem Taser ausreichend, um gefährliche Situationen zu entschärfen.
Physische Gewalt dominiert das Einsatzspektrum
Den größten Anteil der Gewaltanwendungen stellte der Einsatz körperlicher Gewalt dar. In 23.912 Fällen setzten Polizisten körperliche Mittel ein, meist um Verdächtige unter Kontrolle zu bringen. Hinzu kamen 3167 Einsätze mit dem Schlagstock, 1114 mit dem Taser sowie 749 Mal mit Pfefferspray. Die Verwendung von Schusswaffen ging leicht zurück: 1760 Mal kam es zum Ziehen der Waffe, in 214 Fällen wurde gezielt geschossen – darunter 13 Mal auf Menschen, in den übrigen Fällen handelte es sich um das Töten verletzter oder gefährlicher Tiere.
Gewalt gegen Menschen mit psychischen Auffälligkeiten
Auffällig ist die gestiegene Zahl an Einsätzen, bei denen Personen mit „unverstandenem Verhalten“ – meist psychisch auffällige Menschen – betroffen waren. 38 Prozent der Gewaltsituationen betrafen diese Gruppe, ein Anstieg um vier Prozentpunkte gegenüber 2023. Laut Holla stellen solche Situationen besondere Anforderungen und erfordern enge Zusammenarbeit mit dem Gesundheitswesen. Die Betroffenen seien oft unberechenbar und könnten sowohl sich selbst als auch ihr Umfeld gefährden.
Klare Regeln und interne Kontrolle
Jeder Fall von Gewaltanwendung wird dokumentiert und intern bewertet. Neben juristischen Kriterien wie Verhältnismäßigkeit und Sorgfalt fließen dabei auch fachliche Standards ein. In 295 Fällen – das entspricht 0,82 Prozent – wurde festgestellt, dass die Gewaltanwendung nicht den internen Anforderungen genügte. Bürger sind über sogenannte Gewaltanwendungskommissionen in die Bewertung eingebunden. Ziel ist es, durch Transparenz und Reflexion das Vertrauen in das polizeiliche Handeln zu stärken.
Beschwerden nehmen vor allem bei Protesten zu
Obwohl die absolute Zahl der Gewaltanwendungen gleich blieb, nahmen die Beschwerden deutlich zu. Insgesamt gingen 900 Beschwerden ein, vor allem im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Protesten. Dies betrifft unter anderem Vorfälle bei den Studierendenprotesten an der Universität von Amsterdam sowie Blockaden durch Klimaaktivisten. Die Beschwerden werden durch das Team Sicherheit, Integrität und Beschwerden (VIK) geprüft.
Ausbildung setzt auf Deeskalation
Ein wichtiger Aspekt in der Polizeiausbildung ist die Deeskalation. Laut Polizeiakademie bleibt trotz verkürzter Grundausbildung auf zwei Jahre der Fokus auf gewaltvermeidende Kommunikation erhalten. Eine ergänzende, freiwillige Fortbildung zur deeskalierenden Gesprächsführung ist stark gefragt – es besteht jedoch derzeit eine Warteliste. Das Interesse an diesen Kursen übersteigt die derzeitigen Kapazitäten, was auf den hohen Bedarf an praxisnaher Schulung in konfliktentschärfendem Verhalten hinweist.
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