Nur noch legales Marihuana in 10 Städten
| von Redaktion

ALMERE · Mit dem Beginn der Experimentierphase des sogenannten „Wietexperiments“ am 7. April 2025 dürfen die Coffeeshops in zehn niederländischen Städten ausschließlich noch regulär produzierte und kontrollierte Cannabisprodukte verkaufen. Der Verkauf von herkömmlich illegal beschafftem Gras über die sogenannte Hintertür entfällt damit – eine Maßnahme, die das bisherige Duldungsmodell durchbrechen soll. Die Umstellung ist historisch: Erstmals wird die gesamte Lieferkette – von der Produktion bis zur Abgabe an den Kunden – legal abgebildet. Für Haschisch gilt eine zweimonatige Übergangsfrist, da es bislang noch zu wenig legale Produktion gibt. Die Regierung erhofft sich Erkenntnisse für eine dauerhafte Umgestaltung der niederländischen Drogenpolitik.
Fast acht Jahre nach der politischen Entscheidung startet nun die entscheidende Phase des niederländischen Wietexperiments: Ab dem 7. April dürfen Coffeeshops in Almere, Arnhem, Breda, Groningen, Heerlen, Hellevoetsluis, Maastricht, Nijmegen, Tilburg und Zaanstad ihre Ware ausschließlich von zehn staatlich zugelassenen Produzenten beziehen. Bislang galt in den Niederlanden das weltweit einzigartige Duldungsmodell: Der Verkauf an Konsumenten war erlaubt, die Produktion jedoch verboten – eine juristische Grauzone, die zu intransparenter Herkunft, minderer Qualität und Kriminalität führte.
Mit dem Experiment soll eine geschlossene Lieferkette etabliert werden: Produktion, Distribution und Verkauf werden streng kontrolliert, dokumentiert und auf Qualität geprüft. Das Experiment dauert mindestens vier Jahre und wird wissenschaftlich begleitet. Zuständig für die Umsetzung sind das Justiz- und das Gesundheitsministerium. Die Cannabisprodukte dürfen nur in den beteiligten Städten verkauft werden, die teilnehmenden Produzenten dürfen ausschließlich diese beliefern. Damit soll verhindert werden, dass das legale System in Kontakt mit dem illegalen Markt tritt.
Problematisch bleibt zum Start der vollständige Ersatz des bisherigen Angebots durch regulierte Produkte – vor allem bei Haschisch. Noch produzieren nicht alle zugelassenen Anbieter ausreichend, um die Nachfrage zu decken. Wie NOS berichtet, sind derzeit nur fünf der zehn Produzenten voll in Betrieb, einige starten erst in den kommenden Wochen. Besonders Haschisch ist knapp: Ein großer Teil stammt bislang von nur einem Produzenten. Deshalb wird der Verkauf von illegalem Haschisch bis zum 10. Juni 2025 nicht geahndet. Danach dürfen auch nur noch geprüfte Produkte in den Regalen liegen.
Ein historischer Schritt für die Cannabispolitik
Das Experiment wurde bereits 2017 politisch vereinbart und mit der Gesetzesgrundlage von 2020 rechtlich vorbereitet. Es soll zeigen, ob ein regulierter Markt für Cannabis funktioniert – und welchen Einfluss dies auf Sicherheit, Gesundheit und Kriminalität hat. Getestet wird unter realen Marktbedingungen mit fast 80 Coffeeshops. Wissenschaftlich begleitet wird der Versuch durch ein Konsortium unter Leitung von Breuer&Intraval, RAND Europe und dem Trimbos-Institut. Sie untersuchen auch, wie gut die Regelungen zum Jugendschutz, zur Produktqualität und zur Reduzierung der Straßendealer greifen.
Für die Coffeeshops gelten klare Spielregeln: Der Verkauf ist nur an Einwohner erlaubt, Jugendliche unter 18 Jahren dürfen die Läden nicht betreten, es dürfen keine harten Drogen oder Alkohol verkauft werden und Werbung ist verboten. Zusätzlich müssen alle Produkte in einem Track-&-Trace-System erfasst werden – von der Ernte bis zum Verkauf. Auch die Verpackung unterliegt strengen Anforderungen und muss mit THC- und CBD-Gehalt sowie Warnhinweisen versehen sein.
Coffeeshops bisher in 100 Worten: Seit den 1970er-Jahren dürfen niederländische Coffeeshops unter strengen Bedingungen Cannabis verkaufen – allerdings nur an der „Vordertür“. Der Bezug über die „Hintertür“ war stets illegal: Woher die Wiet oder Hasj stammt, wurde von der Justiz zwar toleriert, aber nie reguliert. Dieses Duldungsmodell führte zu einem paradoxen System, in dem zwar verkauft und konsumiert, aber nicht legal produziert werden durfte. Kriminelle Strukturen profitierten, Qualitätskontrollen fehlten, und die genaue Herkunft blieb meist im Dunkeln. Coffeeshops bewegten sich über Jahrzehnte in einer rechtlichen Grauzone – mit klaren Regeln für den Verkauf, jedoch ohne legale Lieferkette. Diese Lücke soll das neue Experiment endlich schließen.
Übergangsprobleme und Engpässe
Trotz aller Vorbereitung verläuft der Start nicht reibungslos. Wie NOS berichtet, sind beliebte Sorten teilweise nicht lieferbar und einige Produzenten kämpfen mit Startschwierigkeiten. Schwierigkeiten beim Aufbau von Produktionsstätten, beim Bankwesen und bei der Genehmigung von Investoren sorgten für Verzögerungen. Rick Bakker vom Produzenten Hollandse Hoogtes spricht von rund 200 kg Wiet, die pro Woche geliefert werden – zu wenig, um alle Shops ausreichend zu beliefern. Andere Anbieter seien aber in der Lage, zusätzliche Mengen bereitzustellen.
Die Übergangsregelung bei Haschisch soll verhindern, dass Konsumenten wieder zur Straße abwandern. Die Sorge: Leere Regale könnten die illegalen Märkte neu befeuern. Auch deshalb wurde im Vorfeld mit Bürgermeistern, Coffeeshophaltern und Produzenten intensiv abgestimmt, wie das Experiment zu starten ist, ohne ein Sicherheitsrisiko darzustellen. Ab Juni soll dann durchgegriffen werden: Wer dann noch nicht legalen Haschisch anbietet, muss mit Konsequenzen rechnen.
Perspektive auf Legalisierung?
Das Wietexperiment ist nicht nur ein Test für die geschlossene Lieferkette, sondern auch ein Politikum. Coffeeshopbetreiber und Produzenten hoffen auf eine dauerhafte Legalisierung. Auch wenn die vierjährige Testphase mit einer möglichen Verlängerung von 1,5 Jahren streng befristet ist, könnte sie den Grundstein für eine neue Drogenpolitik legen – jenseits der bisherigen Duldung. Ob dies gelingt, hängt nicht nur von der Qualität der Produkte, sondern auch von der Akzeptanz bei Konsumenten und der erfolgreichen Verdrängung des Schwarzmarkts ab.
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