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Niederlande auf dem Weg zum Abhörstaat?

| von Redaktion

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DEN HAAG · Die niederländischen Geheimdienste AIVD und MIVD haben 2024 so viele Überwachungsmaßnahmen beantragt wie nie zuvor. Laut dem Jahresbericht der Toetsingscommissie Inzet Bevoegdheden (TIB) stieg die Zahl der Anträge auf den Einsatz besonderer Befugnisse um über 30 % im Vergleich zum Vorjahr auf insgesamt 4.445 Fälle. Diese Maßnahmen, darunter das Abhören von Telefonen, das Platzieren von Kameras in Privaträumen und das Abfangen von Internetverkehr, sind tiefgreifende Eingriffe in die Grundrechte der Bürger. Die TIB genehmigte 96,4 % dieser Anfragen, während 3,6 % als nicht rechtmäßig abgelehnt wurden. Die drastische Zunahme wird mit geopolitischen Spannungen, wachsender Cyberkriminalität und Bedrohungen durch Spionage begründet. Kritiker warnen jedoch vor einer schleichenden Ausweitung der geheimdienstlichen Befugnisse und der Verwischung der Grenzen zwischen Nachrichtendienst und Strafverfolgung.

Die niederländischen Nachrichtendienste AIVD (Algemene Inlichtingen- en Veiligheidsdienst) und MIVD (Militaire Inlichtingen- en Veiligheidsdienst) verzeichneten im Jahr 2024 einen massiven Anstieg an Überwachungsmaßnahmen. Die TIB, die als unabhängige Instanz die Rechtmäßigkeit solcher Eingriffe prüft, verarbeitete 4.445 Anträge – ein Rekordwert, der eine 31%ige Zunahme im Vergleich zu 2023 darstellt. Während bereits im Vorjahr ein Anstieg von 17 % zu verzeichnen war, hat sich dieser Trend 2024 weiter beschleunigt. Als Hauptgründe nennt der Bericht anhaltende internationale Konflikte wie den Krieg in der Ukraine, die Eskalation im Nahen Osten und eine zunehmende Bedrohung durch China und Russland.

Bemerkenswert ist, dass der überwiegende Teil der Anträge genehmigt wurde: Nur 3,6 % der Anfragen wurden als nicht rechtmäßig eingestuft. Dies entspricht einer leichten Verbesserung gegenüber 2023, als 4,4 % der Anträge abgelehnt wurden. Die abgelehnten Anfragen betrafen häufig Verstöße gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit oder eine unzureichende Begründung der Notwendigkeit der Überwachungsmaßnahmen.

Überwachungsmaßnahmen auf Rekordniveau

Die Befugnisse der Geheimdienste umfassen weitreichende Eingriffe in die Privatsphäre: Das Abhören von Telefonaten, das Abfangen von Internetkommunikation, das Platzieren von Kameras und Mikrofonen in Wohnungen sowie das Hacken von Computern. Diese Maßnahmen sind streng reguliert und erfordern eine vorherige Genehmigung durch den Minister und die TIB.

Während in den meisten Fällen eine reguläre Genehmigung eingeholt wird, gibt es auch eine steigende Zahl an "Dringlichkeitsverfahren", in denen die Minister vorläufige mündliche Genehmigungen erteilen, die später von der TIB überprüft werden. Im Jahr 2024 gab es 199 solcher Eilverfahren, von denen 14 nachträglich als unrechtmäßig eingestuft wurden. In diesen Fällen mussten alle gesammelten Daten umgehend vernichtet werden.

Cyber-Überwachung und der Zugriff auf Internetkabel

Ein besonderes Thema im TIB-Bericht 2024 ist die Einführung der „Tijdelijke wet onderzoeken AIVD en MIVD naar landen met een offensief cyberprogramma“, die den Geheimdiensten erweiterte Befugnisse zur Überwachung von Cyberaktivitäten gewährt. Diese neue Regelung erlaubt es, Internetdaten in großem Stil abzufangen und „Snapshots“ von Internetverkehr zu erstellen. Die TIB äußerte jedoch Zweifel an der tatsächlichen Wirksamkeit dieser Maßnahmen.

Grenzen zwischen Geheimdiensten und Strafverfolgung verschwimmen

Neben der steigenden Zahl der Überwachungsmaßnahmen gibt es Bedenken über die Rolle des AIVD in der Strafverfolgung. Die CTIVD (Commissie van Toezicht op de Inlichtingen- en Veiligheidsdiensten) kritisierte 2024, dass sich der AIVD zunehmend mit Fällen beschäftige, die nicht klar in den Bereich der nationalen Sicherheit fallen.

Laut niederländischem Recht ist der AIVD für Nachrichtendienstarbeit zuständig, während die Polizei und andere Behörden wie die FIOD und die Koninklijke Marechaussee für strafrechtliche Ermittlungen verantwortlich sind. Dennoch zeigen die Berichte, dass der AIVD immer häufiger Personen überwacht, die keine unmittelbare Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen.

Eine gefährliche Entwicklung?

Die Entwicklungen in den Niederlanden spiegeln einen globalen Trend zur verstärkten Überwachung wider. Der massive Anstieg der geheimdienstlichen Befugnisse, die Ausweitung der Cyber-Überwachung und die verschwimmenden Grenzen zwischen Nachrichtendienst und Strafverfolgung sind besorgniserregende Entwicklungen.

Während die Regierung argumentiert, dass diese Maßnahmen angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen notwendig seien, warnen Kritiker vor einem schleichenden Ausbau der staatlichen Überwachung. Die Tatsache, dass über 96 % der Anträge genehmigt werden, lässt Zweifel an der tatsächlichen Unabhängigkeit der Kontrollinstanzen aufkommen.

Mehr über die Sicherheitskräfte in den Niederlanden erfahren? Wie arbeiten Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste in den Niederlanden? Welche Notrufnummern gibt es, und wie reagieren die Behörden in Notfällen? Wenn Sie mehr über die Sicherheitsstruktur und den Katastrophenschutz in den Niederlanden erfahren möchten, besuchen Sie unsere ausführliche Informationsseite.

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Bild: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

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