Information

einfach auf den Punkt gebracht

Musiker bedroht: Debatte eskaliert weiter

| von Redaktion

Douwe Bob bei einem Meet & Greet während des Eurovision Song Contest 2016 in Stockholm. | Foto: Albin Olsson (License: CC BY-SA 4.0)

AMSTERDAM · Zwischenfall mit Douwe Bob entfacht heftige Kontroverse: Nach seiner kurzfristigen Absage eines Auftritts bei einem jüdischen Kinderfußballevent in Amsterdam sieht sich der niederländische Musiker Douwe Bob massiven Drohungen ausgesetzt. Die Ereignisse offenbaren eine zunehmende gesellschaftliche Spaltung: Während Politiker wie VVD-Chefin Dilan Yesilgöz von „Judenhass“ sprechen, betont Douwe Bob, sich gegen politische Vereinnahmung gewehrt zu haben. Die Polizei bestätigte ein akutes Sicherheitsrisiko, der Künstler verließ auf deren Rat mit seiner Familie das Land. Die Organisation des Events weist die Vorwürfe zurück. Die Fronten verhärten sich.

Der Sänger Douwe Bob hat nach eigenen Angaben auf Anraten der Polizei die Niederlande verlassen, nachdem er am vergangenen Sonntag ein geplantes Konzert beim jüdischen Kinderfußballevent Jom Ha in Amsterdam kurzfristig abgesagt hatte. Grund seien laut ihm politische Symbole vor Ort gewesen, die gegen zuvor getroffene Absprachen verstoßen hätten. Seine Managerin spricht gegenüber der NOS von akuter Gefahr, es sei sogar ein Notruf bei der 112 abgesetzt worden. Laut Polizei werde derzeit wegen der Drohungen ermittelt. Die Behörden äußern sich nicht zu etwaigen Schutzmaßnahmen, wie das AD und NOS berichten.

Douwe Bob auf seinem Facebook-Profil: "Ich schreibe dies aus dem Auto auf dem Weg aus den Niederlanden. Um die Sicherheit meiner Familie und mir selbst zu gewährleisten, haben wir beschlossen, vorerst zu gehen. Auf Anraten der Polizei.
In den Medien und durch Politiker wird weiterhin das Bild gezeichnet, dass ich nicht für Kinder spielen wollte wegen ihrer jüdischen Herkunft.
Wenn ich das über mich hören würde, wäre ich ehrlich gesagt auch wütend. Zum Glück ist das eine totale Lüge, und ich widerlege es in diesem Ausschnitt von vorgestern bei Renze.
Wir sind in Kontakt mit der Organisation Yom Ha Voetbal, um gemeinsam etwas Positives zu organisieren – nicht vor den Kameras, sondern für die Kinder. Denn darum geht es. Verbindung schaffen, indem man zusammen Musik macht und es mal nicht um Politik oder Religion geht. ❤️ Douwe"

Hintergrund des Konzertabbruchs

Douwe Bob sollte beim jährlich stattfindenden Kinderfußbalevent Jom Ha auftreten. Laut eigener Aussage war im Vorfeld vereinbart worden, dass das Event frei von politischen oder religiösen Aussagen bleibe. Vor Ort entdeckte er jedoch zionistische Poster und Informationsmaterialien, woraufhin er seinen Auftritt abbrach. Auf der Bühne erklärte er: „Ich bin gegen Zionismus, nicht gegen Juden“, wie NOS berichtet. Der Künstler betonte, dass er keine politische Bühne betreten wolle und sich das Recht nehme, unter solchen Umständen nicht zu spielen.

Heftige Reaktionen und Vorwürfe

Die Absage rief scharfe Reaktionen hervor. VVD-Parteivorsitzende Dilan Yesilgöz veröffentlichte auf X (ehemals Twitter) einen Post mit Verweis auf den Holocaust: „Zó gewoon is Jodenhaat geworden“, also: „So normal ist Judenhass geworden.“ Wie NOS berichtet, will sie sich für diese Äußerung nicht entschuldigen. Auch in der RTL-Talkshow „Renze“ stellte Douwe Bob klar, dass er die Kinder keinesfalls wegen ihrer Herkunft ausschließen wollte, sondern lediglich gegen politische Symbolik in einem Kinderkontext sei.

Organisation widerspricht Darstellung

Die Veranstalter des Jom Ha widersprechen Douwe Bobs Darstellung. Laut AD sei im Vertrag keine Klausel zu politischen oder religiösen Ausdrücken enthalten gewesen. Die angebliche Absprache basiere auf WhatsApp-Nachrichten am Veranstaltungstag. Die Organisation betont, es habe sich um ein familiäres Sportevent gehandelt, keine politischen Botschaften seien verbreitet worden. Kamerabilder zeigten, dass es auch keine Übergriffe auf den Künstler gegeben habe, wie behauptet.

Polizeilicher Schutz und Abreise ins Ausland

Nach Erhalt zahlreicher Drohungen, einige davon mit Standortdaten der Absender, hat Douwe Bob laut seinem Management Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Drohungen umfassten laut AD unter anderem Hinweise auf Angriffe und Aussagen über sein Kind. Eine Gruppierung nannte sich „Amsterdam Defence Force“ und soll Informationen über seinen Aufenthaltsort geteilt haben. Infolge der Gefährdungslage wurde die Familie in einem Polizeifahrzeug aus ihrer Wohnung gebracht und verließ das Land, so der NOS-Bericht.

Politische Brisanz

Demissionärer Wirtschaftsminister Vincent Karremans (VVD) verurteilte im WNL-Programm „Goedenavond Nederland“ die Drohungen, betonte jedoch zugleich, dass das Verhalten des Sängers negative Auswirkungen auf die jüdische Gemeinschaft habe. Auch der Nationaal Coördinator Antisemitismebestrijding äußerte laut AD Sorgen, dass solche Aktionen die kulturelle Teilhabe jüdischer Gruppen erschweren und Polarisierung fördern.

Douwe Bobs Verteidigung

In seinen jüngsten Social-Media-Beiträgen stellt Douwe Bob klar, dass er die jüdische Gemeinschaft ausdrücklich unterstützt, jedoch keine Bühne für politische Bewegungen bieten wolle. Seine Kritik richte sich ausschließlich gegen Zionismus, nicht gegen Juden. Das Management kündigte an, dass der Künstler nun Zeit brauche, um zur Ruhe zu kommen. Ob sein Auftritt am 5. Juli beim Festival Gelderpop stattfinden wird, ist derzeit unklar.

Polarisierung auf allen Seiten

Der Fall steht exemplarisch für eine sich zuspitzende gesellschaftliche Polarisierung in den Niederlanden. Zwischen Vorwürfen von Antisemitismus, politischem Aktivismus, medienwirksamen Statements und echten Sicherheitsbedenken verschwimmen die Grenzen zwischen Wahrnehmung und Realität. Die Forderungen nach mehr Rücksicht, Dialogbereitschaft und Deeskalation verhallen, stattdessen scheint jede Seite in ihrer Haltung zu verharren.

In eigener Sache

Bitte unterstütze uns

Unsere Aktivitäten und diese Webseite bieten wir kostenlos an. Wir tun dies gerne und freiwillig. Um unseren Service weiterhin anbieten zu können, schalten wir Werbung und nutzen Affiliate-Links. Deine Unterstützung, sei es durch Mitarbeit oder eine Spende in Höhe einer Tasse Kaffee über PayPal, ist uns sehr willkommen und hilft uns enorm.

Vielen Dank dafür!


Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 6 plus 3.

Weitere Nachrichten