Fünf Monate Haft gefordert gegen Marco Borsato
| von Redaktion
UTRECHT · Auftakt im vielbeachteten Prozess gegen den Sänger Marco Borsato: Nach fast vier Jahren Ermittlungsarbeit hat am Dienstag die inhaltliche Verhandlung vor dem Gericht in Utrecht begonnen. Der 58-jährige niederländische Musiker wird beschuldigt, im Jahr 2014 eine damals 15-jährige Tochter seiner langjährigen Fanclub-Vorsitzenden unsittlich berührt zu haben. Das Openbaar Ministerie (OM) forderte fünf Monate Haft wegen sexueller Handlungen mit einer Minderjährigen. Das Verfahren zieht enorme mediale Aufmerksamkeit auf sich: Mehr als 80 akkreditierte Journalistinnen und Journalisten berichteten aus dem Gerichtssaal. Borsato, der sämtliche Vorwürfe entschieden zurückweist, reagierte emotional und verließ die Sitzung nach der Verkündung der Strafforderung über die Hintertür des Gebäudes.
Der Fall Marco Borsato beschäftigt die niederländische Öffentlichkeit seit Jahren. Wie die NOS, AD und De Telegraaf übereinstimmend berichten, geht es um eine Anzeige aus dem Jahr 2021. Das mutmaßliche Opfer, heute 26 Jahre alt, hatte damals ausgesagt, der Sänger habe sie zwischen ihrem 15. und 17. Lebensjahr mehrfach an intimen Körperstellen berührt – sowohl über als auch unter der Kleidung. Nach umfangreichen Untersuchungen und Gutachten, insbesondere zu einem Tagebuch des Mädchens, entschied das OM im September 2023, Borsato zu verfolgen. Wegen der gesellschaftlichen Tragweite erhielt der Fall Vorrang vor anderen Sexualdelikten.
In der Verhandlung schilderte die Frau in einer über ihren Anwalt verlesenen Erklärung, dass Borsato nach dem Tod ihres Vaters eine Vaterrolle übernommen, diese Nähe aber ausgenutzt habe. Sie sprach von „Betastungen an Beinen, Brüsten und im Intimbereich“. Das mutmaßliche Opfer forderte keine Haft, sondern Anerkennung des Unrechts. Die Anklage sah die Vorwürfe jedoch bestätigt und bezeichnete die Handlungen als gezielte Grenzüberschreitungen. „Unzucht ist nie die Schuld eines Kindes“, betonte die Staatsanwaltschaft laut De Telegraaf.
Der Musiker bestritt die Taten vehement. Er erklärte, er habe das Mädchen „wie seine eigenen Kinder behandelt“ und sprach von einer „freien sexuellen Moral“ im Haushalt der Mutter. Nach Angaben von AD und NOS verwies Borsato darauf, dass es sich um missverstandene Gesten väterlicher Zuneigung gehandelt habe. Auch die angeblich zweideutigen Nachrichten und Gespräche seien aus dem Zusammenhang gerissen. Der Sänger betonte mehrfach, er habe keine sexuellen Absichten gehabt.
Prozessverlauf und Beweislage
Das Gericht hörte zahlreiche Zeugen sowie Tonaufnahmen eines heimlich mitgeschnittenen Gesprächs zwischen Borsato und der Mutter der jungen Frau. Die Staatsanwaltschaft wertete darin eine Stelle als indirektes Schuldeingeständnis, in der der Sänger sagt, „er könne verstehen, dass sein Verhalten als unangemessen empfunden wurde“. Borsato erklärte dagegen, er habe lediglich Mitgefühl zeigen wollen, nicht ein Geständnis ablegen. Gutachten bestätigten die Echtheit der Tagebuchaufzeichnungen, die aus der Zeit des mutmaßlichen Missbrauchs stammen sollen.
Die Verteidigung um das Anwaltsteam Geert-Jan und Carry Knoops sprach von einer fehlerhaften Interpretation der Beweise und beantragte die Aussetzung eines Urteils im Falle einer Verurteilung, um weitere Untersuchungen zu ermöglichen. Der Rechtspsychologe Peter van Koppen, von der Verteidigung beauftragt, kritisierte die Qualität der polizeilichen Verhöre und sprach von einer „explizit sexuellen Atmosphäre“ im Elternhaus des mutmaßlichen Opfers.
Öffentliche und persönliche Folgen
Seit Bekanntwerden der Anschuldigungen im Jahr 2021 hat Borsato seine Karriere vollständig unterbrochen. Radiosender boykottierten seine Musik, Engagements wurden gestrichen, und er legte sein Ehrenamt bei der Hilfsorganisation War Child nieder, um, wie er sagte, die Organisation nicht zu belasten. Nach Angaben der NOS betonte War Child, keine Beschwerden über den Künstler erhalten zu haben. Der Fall steht in keinem Zusammenhang mit den früheren Ermittlungen im Umfeld der Fernsehsendung The Voice of Holland, die gegen Borsato mangels Beweisen eingestellt wurden.
Am Donnerstag wird die Verteidigung ihre Plädoyers halten. Das Urteil soll laut De Telegraaf Mitte Dezember fallen. Der Prozess gilt als einer der meistbeachteten Strafverfahren in den Niederlanden seit Jahren – nicht nur wegen des prominenten Angeklagten, sondern auch wegen der breiten gesellschaftlichen Debatte über Machtverhältnisse, Vertrauen und Grenzen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen.
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