Frühe Haftentlassung? Koalitionsstreit um Coenradies Pläne
| von Redaktion

DEN HAAG · Staatssecretaris Ingrid Coenradie (PVV) hat im niederländischen Parlament um Unterstützung für ihren Vorschlag gebeten, bestimmte Gefangene bis zu zwei Wochen vor dem offiziellen Strafende zu entlassen. Dies sei laut Coenradie eine "höchst unangenehme, aber notwendige Maßnahme", um die akute Überbelegung in den Gefängnissen zu bewältigen. Die Vorschläge stoßen auf massiven Widerstand, insbesondere von den Koalitionsparteien PVV und VVD. Während PVV-Kamerlid Emiel van Dijk vorschlug, stattdessen mehr Gefangene in eine Zelle zu stecken, warnte VVD-Politiker Ulysse Ellian vor einem Dammbruch, der zu immer kürzeren Haftzeiten führen könnte. Das Debatte wird kommende Woche fortgesetzt.
Die Forderung der Staatssecretaris nach einer vorzeitigen Entlassung von Gefangenen bis zu zwei Wochen vor dem regulären Strafende hat einen Koalitionsstreit ausgelöst. Coenradie argumentierte im Parlament, dass es keine realistischen Alternativen gebe: Entweder es würden weniger Menschen verhaftet oder einige Insassen früher entlassen. "Dies sei die "am wenigsten schlechte" Option", so die PVV-Politikerin, meldet NOS. Ihr Vorschlag betrifft nur Gefangene mit einer Strafe von maximal einem Jahr und schließt Sexual- und Gewaltstraftäter explizit aus.
Die Koalitionspartner sind dennoch entsetzt: Die PVV distanzierte sich scharf von ihrer eigenen Staatssecretaris. Fraktionsmitglied Van Dijk erklärte, dass er lieber acht Gefangene in eine Zelle stecken würde, "auch wenn sie dann stehend schlafen müssten". Dies brachte ihm heftige Kritik ein, unter anderem von JA21-Politiker Joost Eerdmans, der dies als "Auschwitz-Methode" bezeichnete. Auch das Gefängnispersonal protestierte auf der Zuschauertribüne und warnte vor Sicherheitsrisiken.
Die VVD geht noch einen Schritt weiter und warnt vor einem "gefährlichen Präzedenzfall". Ulysse Ellian befürchtet, dass eine zweiwöchige Verkürzung bald auf einen Monat oder länger ausgeweitet wird. "Opfer von Straftaten haben ein Recht darauf, dass Strafen vollständig verbüßt werden", so Ellian. Er betonte, dass der Staat sich auf keine Kompromisse in Sachen Strafvollzug einlassen dürfe.
Hintergrund: Gefängnisse vor dem Kollaps
Die niederländischen Gefängnisse stehen laut Coenradie kurz vor dem "Code Schwarz". Durch verschärfte Strafen ist die durchschnittliche Haftdauer von 450 Tagen im Jahr 2022 auf 600 Tage im Jahr 2024 gestiegen, zählt de Volkskrant auf. Gleichzeitig wurden in den letzten zehn Jahren 26 Gefängnisse geschlossen und 2.500 Mitarbeiter entlassen. Bis Ende 2025 droht ein Zellendefizit von 330 Plätzen.
Als Reaktion darauf hat Coenradie bereits mehrere Maßnahmen ergriffen: Die Zahl der Doppelzellen wird um 100 erweitert, zudem sollen Notunterkünfte mit niedrigerem Sicherheitsstandard geschaffen werden. Ein weiterer Plan sieht die Wiedereröffnung der geschlossenen Haftanstalt in Almere vor, doch dies wird noch Jahre dauern. Laut Coenradie bleibt daher keine Alternative zur vorzeitigen Entlassung.
Reaktionen aus der Politik
Nicht nur die Koalitionsparteien, sondern auch die Opposition sieht die Pläne skeptisch. SP-Kamerlid Michiel van Nispen kritisierte die Nullrunde für das Gefängnispersonal und forderte eine "Knapheitzulage", um den Beruf attraktiver zu machen. Coenradie entgegnete, dass nicht das Gehalt, sondern die hohe Arbeitsbelastung das Hauptproblem sei.
In der Zwischenzeit muss Coenradie einen Balanceakt meistern: Einerseits will sie ihre Pläne durchsetzen, andererseits steht sie unter dem Druck ihrer eigenen Partei. PVV-Chef Geert Wilders hatte bereits im Februar klargestellt, dass "kein Gefangener auch nur einen Tag früher freikommt". Dennoch beharrt Coenradie darauf, dass sie "keine andere Wahl" habe. Das abschließende Parlamentsvotum dürfte zur Nagelprobe für die Koalition werden.
Wie geht es weiter?
Das heiße Thema bleibt auf der Tagesordnung in der Tweede Kamer. Die Debatte wird kommende Woche fortgesetzt, und Coenradie hat bereits angekündigt, dass sie weiter um Zustimmung kämpfen wird. Doch angesichts des massiven Widerstands aus den eigenen Reihen und der Opposition ist unklar, ob ihr Vorschlag eine Mehrheit findet. Sollte sie scheitern, könnte dies nicht nur ihre Position schwächen, sondern auch die Stabilität der Regierung gefährden.
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