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Faber isoliert sich – fällt das Kabinett?

| von Redaktion

Nachtrag der Redaktion: Die niederländische Asylministerin Faber übersteht einen Misstrauensantrag nach einer langen Debatte in der Tweede Kamer am 2. April 2025.

© Kanselarij der Nederlandse Orden

DEN HAAG · Der innenpolitische Streit über verweigerte Ehrenzeichen droht zu einer ernsthaften Belastungsprobe für das niederländische Kabinett zu werden. Lintjesgate: Asylministerin Faber (PVV) hat sich vehement geweigert, fünf ehemaligen COA-Helfern königliche Auszeichnungen zu gewähren – und damit nicht nur die Empfänger, sondern auch ihre Koalitionspartner düpiert. Obwohl Premierminister Schoof (parteilos) inzwischen signalisiert hat, die Ehrungen selbst zu unterzeichnen, besteht die Ministerin auf ihrer Haltung. Die Opposition fordert eine Vertrauensdebatte und stellt offen die Frage nach der Regierungsfähigkeit der Koalition. Selbst innerhalb des Kabinetts herrscht Uneinigkeit, was das fragile Gleichgewicht der neuen Regierung empfindlich stört.

Die Weigerung von Marjolein Faber, ihrer ministeriellen Pflicht nachzukommen und eine rein formelle Unterschrift unter die Verleihung königlicher Orden an fünf freiwillige Helfer des COA zu setzen, hat sich binnen weniger Tage zu einem politischen Flächenbrand entwickelt. Aus Sicht der Ministerin sei das Engagement der Auszuzeichnenden mit ihrem „strengen Asylkurs“ unvereinbar – eine Haltung, die selbst innerhalb ihrer Koalitionspartner für Entsetzen sorgt. Während PVV-Chef Geert Wilders die Entscheidung ausdrücklich lobte, werfen Parteivertreter von VVD, NSC und BBB der Ministerin vor, die Auszeichnung ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer zu instrumentalisieren. Besonders brisant: Das COA handelt im Auftrag des Ministeriums für Asyl und Migration – der Behörde, die Faber selbst leitet. Obwohl die rechtlichen Verfahren zur Ordensverleihung eindeutig sind und der Ministerin kaum Ermessensspielraum lassen, beruft sich Faber auf ihr politisches Gewissen und das Signal, das sie setzen wolle. Die Opposition spricht bereits von einem „Regierungsbruch in Zeitlupe“ – nicht zuletzt, weil Premier Schoof nun offen gegen Fabers Linie agiert. Sollte die für den nächsten Morgen angesetzte Debatte im Parlament mit einer Vertrauensfrage enden, droht der ohnehin spannungsreiche Koalitionsfrieden endgültig zu kippen.

Was ist das COA?

COA steht für „Centraal Orgaan opvang asielzoekers“, also das Zentrale Amt für die Aufnahme von Asylsuchenden in den Niederlanden.

Das COA ist eine staatliche Organisation, die dem Ministerium für Justiz und Sicherheit unterstellt ist – aktuell also dem Ministerium für Asyl und Migration, das von Ministerin Faber (PVV) geleitet wird.

Hauptaufgaben des COA:

  • Organisation und Durchführung der Unterbringung von Asylsuchenden in den Niederlanden.

  • Betreuung und Unterstützung der Bewohner in den Aufnahmezentren.

  • Zusammenarbeit mit anderen Behörden wie dem IND (Einwanderungs- und Einbürgerungsdienst) und der Polizei.

  • Vorbereitung der Asylbewerber auf ihre nächste Phase: Aufenthalt, Rückkehr oder Umzug.

Das COA führt gesetzliche Aufgaben aus und ist daher kein privater Akteur oder Aktivistenverband – was die Weigerung der Ministerin, ehemalige freiwillige Helfer des COA mit einem königlichen Orden auszuzeichnen, noch politisch brisanter macht.

Faber gegen das System: Ministerin im Alleingang

Was normalerweise eine bürokratische Formsache ist, wird unter Ministerin Faber zum politischen Statement: Die Unterschrift unter die von einer zivilgesellschaftlichen Kommission geprüften Ehrungsvorschläge bleibt aus – mit Verweis auf das eigene Asylkonzept. Dass eine Ministerin damit nicht nur von der gesellschaftlichen Erwartungshaltung, sondern auch von den Gepflogenheiten ihres Amtes abweicht, sorgt für breite Empörung. Wie NOS berichtet, sei es „zeer ongebruikelijk“, dass ein Minister sich über die Empfehlung des Kapitels für die Civiele Orden hinwegsetzt. Die Königlichen Auszeichnungen gelten traditionell als überparteiliche Würdigung bürgerschaftlichen Engagements – ganz im Gegensatz zu Fabers Behauptung, dass solche Ehrungen ein politisches Signal setzten, das ihrem Kurs widerspräche.

Ein Kabinett, viele Stimmen

Premierminister Schoof bemühte sich, die institutionelle Einheit zu retten, indem er ankündigte, die Auszeichnungen dennoch unterzeichnen zu lassen – stellvertretend für die Regierung, aber auch gegen Fabers expliziten Willen. Laut NU.nl erklärte Faber zwar, sich dieser Entscheidung „nicht zu widersetzen“, gleichzeitig betonte sie erneut, dass sie die Ehrungen weiterhin ablehne. Diese Doppelrolle nährt die Zweifel an der Koalitionstreue der PVV-Ministerin – und stellt die sogenannte „Einheit der Kabinettslinie“ infrage. NOS zitiert aus Regierungskreisen: „Die Frage nach der Einheit stellt sich offenkundig.“ Auch Staatssekretär Coenradie soll geantwortet haben: „Nee, want zie tegengestelde uitspraken hierin.“

Vertrauensfrage und Debattenstau

Die Opposition ließ nicht lange auf sich warten. Vertreter von GL-PvdA, CDA, ChristenUnie, D66, SP und weiteren Fraktionen fordern Konsequenzen. Wie NU.nl berichtet, bezeichnete D66-Fraktionschef Rob Jetten Fabers Verhalten als „Schande für das Ministeramt“. Eine Vertrauensfrage steht im Raum – verbunden mit einer möglichen Abwahl. Besonders Jesse Klaver von GL-PvdA macht deutlich: Sollte Faber ihre Haltung nicht ändern, „zal de vertrouwensvraag aan de orde komen“. Diese politische Eskalation könnte schon bald in eine offizielle Misstrauensabstimmung münden – ein Mittel, das in den Niederlanden bisher nur selten zum Sturz von Ministern führte.

Koalitionspartner auf Distanz

Noch sind VVD, NSC und BBB nicht bereit, eine solche Misstrauensfrage mitzutragen. Aber auch sie machen keinen Hehl aus ihrer Ablehnung. Caroline van der Plas (BBB) zeigte sich auf X bestürzt über Fabers Haltung. Pieter Omtzigt (NSC) nannte es „bizar“, dass eine Ministerin die Auszeichnung ihrer eigenen Mitarbeiter verweigere. Und Dilan Yeşilgöz (VVD) warf Faber indirekt vor, politische Energie an der falschen Stelle zu verschwenden. Ihre Botschaft laut De Telegraaf: „Lieber wichtige Gesetze durchbringen als symbolische Kleinkriege.“

Der politische Kontext: Faber als Polarisierungsfigur

Fabers Verhalten fügt sich in ein Muster ein. Bereits in den vergangenen Wochen war sie laut NU.nl mehrfach in Konflikte mit der Kammer und anderen Ministern verwickelt. So kam es etwa zu Spannungen mit Wohnministerin Keijzer in Bezug auf die Unterbringung von Geflüchteten. Auch Premier Schoof rügte offen Fabers Vorgehen in der Debatte zur Abschaffung des sogenannten Spreidingswet – sie hatte versucht, das Thema ohne ordnungsgemäßes Verfahren in den Ministerrat zu bringen. All dies deutet auf ein strukturelles Problem hin: Faber agiert unabhängig, selbstbewusst – und häufig im Widerspruch zur Regierungslogik.

Symbolpolitik mit Sprengkraft

Der Fall ist in mehrfacher Hinsicht symptomatisch: Er zeigt die Fragilität einer Koalition, die sich auf gegenseitiges Misstrauen statt auf Zusammenarbeit stützt. Er demonstriert, wie Symbolpolitik politische Prozesse blockieren kann. Und er verdeutlicht, wie leicht sich institutionelle Abläufe in persönlichen Profilierungskämpfen verfangen. Dass Ehrenzeichen – eigentlich Ausdruck von gesellschaftlicher Wertschätzung – zum Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzung werden, zeigt die Verschiebung politischer Normen in Den Haag.

Ein Ausblick auf den morgigen Tag

Die morgige Parlamentsdebatte könnte entscheidend werden. Sollte Faber keine Kompromissbereitschaft zeigen und die Opposition eine Vertrauensfrage stellen, könnte die politische Krise ihren Höhepunkt erreichen. Noch ist offen, ob die Koalitionspartner die Ministerin stützen oder fallen lassen. Sicher ist nur: Die Stabilität des Kabinetts steht auf dem Spiel. Was als symbolische Geste begann, könnte zum Auslöser einer Regierungskrise werden.

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