Blitzer fürs Fahrrad? Tempo-Debatte entflammt
| von Redaktion
DEN HAAG · Niederlande diskutieren über Tempolimits für Radfahrer: Radfahrer könnten in den Niederlanden bald geblitzt werden: Das demissionäre Kabinett hat den Weg für erste Tempolimit-Tests auf Radwegen freigemacht. Ziel der geplanten Versuche ist es, die Zahl der Unfälle zu senken, insbesondere wegen der stark unterschiedlichen Geschwindigkeiten von E-Bikes, Fatbikes und normalen Fahrrädern. Vor allem Städte mit hohem Verkehrsaufkommen könnten betroffen sein. Noch gibt es keine festen Vorgaben, die Entscheidung liegt bei den Gemeinden. Der Vorstoß ist Teil des neuen „Meerjarenplan Fietsveiligheid 2025-2029“, das ein ganzes Bündel an Maßnahmen zur Steigerung der Fahrrad-Sicherheit enthält.
In den Niederlanden nimmt die Zahl der Fahrradunfälle seit Jahren zu. 2024 waren laut Ministerium für Infrastruktur 675 Verkehrstote zu beklagen, davon rund ein Drittel Radfahrer. Auch die Zahl der Schwerverletzten stieg deutlich. Mit einem Tempolimit auf Radwegen will das Kabinett gegensteuern. Gemeinden dürfen deshalb ab 2026 eigene Tempolimit-Experimente starten. Auch die Verlagerung von schnellen elektrischen Lastenrädern auf die Fahrbahn gehört zu den möglichen Maßnahmen.
In Amsterdam etwa befürwortet die Stadtverwaltung solche Tests. Die zuständige Verkehrswethouder Melanie van der Horst verweist gegenüber NOS auf die hohe Unfallrate durch E-Bikes und Fatbikes. Sie sieht das Tempolimit jedoch vor allem für stark frequentierte Orte wie Parks oder Innenstadtbereiche als sinnvoll an. Ähnlich argumentiert der Fietsersbond, der auf das hohe Gefahrenpotenzial durch die Mischung unterschiedlich schneller Radfahrer hinweist. Dennoch betont der Verband, dass die aktuellen Regeln bereits eine Höchstgeschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde für E-Bikes vorsehen. Das Problem liege eher an unzureichenden Kontrollen und an getunten Rädern, die teils 45 oder sogar 50 Kilometer pro Stunde erreichen.
Ein Blick nach Katwijk zeigt, dass Temporegulierungen auf Radwegen durchaus funktionieren können: Dort wurde auf der Boulevardstraße eine neue Fahrspur für schnelle Radfahrer eingerichtet, die sich die Straße mit Autos teilen, die maximal 30 Kilometer pro Stunde fahren dürfen, berichtet RTV Katwijk.
Trotz solcher Beispiele mahnt die Organisation Veilig Verkeer Nederland zur Vorsicht. Tempolimits seien kein Allheilmittel, sondern müssten Teil eines umfassenderen Ansatzes sein. Neben Tempobegrenzungen fordert die Organisation vor allem eine Verbesserung der Infrastruktur, etwa durch breitere Radwege, um dem wachsenden Verkehr und der Vielfalt der Fahrzeugtypen gerecht zu werden.
Mehr Sicherheit durch neue Regeln?
Das niederländische Ministerium für Infrastruktur und Wasserstaat plant, durch den Meerjarenplan Fietsveiligheid 2025-2029 die Zahl der Fahrradunfälle zu senken. Das Programm sieht zehn konkrete Maßnahmen vor, die von Tempolimits bis hin zu Trainings für ältere Radfahrer reichen. Im Mittelpunkt stehen Experimente mit Tempolimits, um die wachsenden Unterschiede bei Tempo und Fahrzeuggewicht auf Radwegen zu entschärfen. Schnellere Radfahrer könnten teilweise auch auf die Fahrbahn umgeleitet werden, ähnlich wie es in Katwijk bereits erprobt wird.
Hintergrund: Wachsende Unfallzahlen
Die Niederlande gelten traditionell als Fahrradland, doch die Unfallzahlen steigen dramatisch. 224 tödliche Fahrradunfälle im Jahr 2024 und mehr als 70.000 Verletzte, darunter viele Schwerverletzte, verdeutlichen das Problem. Besonders ältere Radfahrer sind betroffen, häufig bei Unfällen ohne Kollision mit anderen Verkehrsteilnehmern.
Das Ministerium verweist auf die „Verkehrswende“ auf den Radwegen: Immer mehr E-Bikes, elektrische Lastenräder und Fatbikes sorgen für wachsende Risiken. Besonders das illegale Tuning elektrischer Fahrräder wird kritisch gesehen.
Testphase ab 2026 geplant
Die Gemeinden erhalten ab 2026 freie Hand, um eigene Modelle zu erproben. Konkrete Geschwindigkeitsgrenzen werden im Plan nicht genannt, jedoch halten Fachleute Werte von 20 oder 25 Kilometern pro Stunde in Innenstädten für realistisch. Zusätzlich sollen elektrische Lastenräder für den Warentransport in bestimmten Bereichen künftig auf die Fahrbahn verlegt werden.
Neben den Tempolimits wird auch eine sogenannte „adviessnelheid“ geprüft, eine Art freiwillige Empfehlungsgeschwindigkeit bzw. Richtgeschwindigkeit, die den Verkehrsteilnehmern nahegelegt wird, ohne dass sie sofort sanktioniert wird.
Städte in der Verantwortung
Die Kommunen stehen dabei vor großen Herausforderungen. Bereits jetzt gibt es in vielen Städten kaum Spielraum, um separate Spuren für schnelle Radfahrer zu schaffen. Die Idee einer generellen Temporegulierung wird deshalb in vielen Orten skeptisch betrachtet. Der Fietsersbond plädiert deshalb für eine kombinierte Strategie: bessere Kontrollen gegen Tuning, bauliche Maßnahmen und gezielte Lenkung der Verkehrsteilnehmer.
Ein neues Kapitel der Verkehrspolitik
Das Ministerium hebt in seinem Plan hervor, dass der Verkehr auf den Radwegen sich in den vergangenen zehn Jahren fundamental verändert hat. Die Dynamik auf den Radwegen unterscheidet sich mittlerweile stark zwischen Stadt und Land, weshalb „maßgeschneiderte“ Lösungen angestrebt werden sollen. Gleichzeitig betont das Ministerium, dass es keine „Flickenteppiche“ aus Einzelregelungen geben dürfe.
Ziel der Maßnahmen ist es, bis 2030 eine Trendwende zu erreichen. Das ursprüngliche Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2030 zu halbieren, wurde offiziell aufgegeben. Stattdessen soll langfristig eine Stabilisierung und möglichst Senkung der Unfallzahlen erreicht werden.
Geld für mehr Sicherheit
Neben Tempolimits umfasst der Plan zahlreiche weitere Maßnahmen: insgesamt 50 Millionen Euro werden bereitgestellt, um unter anderem Helmkampagnen, Trainings für Senioren und Datenanalysen zur Unfallforschung zu finanzieren. Weitere 236 Millionen Euro stehen für bauliche Maßnahmen zur Verfügung.
In der Praxis bleibt abzuwarten, ob das geplante Tempolimit tatsächlich den gewünschten Effekt bringt. Experten weisen darauf hin, dass allein durch neue Regeln keine Wende gelingt. Entscheidend sei eine bessere Infrastruktur, Aufklärung und die konsequente Ahndung von Verstößen.
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