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Stigmatisierung deutscher Touristen in Amsterdam

| letzte Änderung 25. Juli 2020 17:07 | Thomas Klimeck

Eines der echten Plakate

In Amsterdam gibt es keinen Platz für Diskriminierung. Dafür sind alle in der Stadt verantwortlich. Die Stadt ruft auf, um nicht zu schweigen. Denn das würde die Opfer nur noch mehr verletzen. Es wird aufgerufen, um Farbe zu bekennen, zu helfen und Amsterdamer zu sein. Leider geht der Schuss teilweise nach hinten los.

Amsterdam will eine Stadt sein, in der es keinen Platz für Diskriminierung und Ausgrenzung gibt. Die Gemeinde möchte, dass sich jeder in der bunten Stadt frei fühlt, sich selbst zu sein. Und dass jeder die gleichen Chancen hat. Zudem sei es wichtig, die Erfahrungen und die Geschichte des anderen zu kennen und zu respektieren. Was Medien seit Jahren berichten, wurde auch durch repräsentative Umfragen bestätigt: Schon das Vermuten einer ausländischen Herkunft, eine andere Hautfarbe oder eine andere Glaubensrichtung ist in vielen Bereichen ein Problem.[1][2]

Daher analysiert die Gemeinde Amsterdam die Situation ständig und bekämpft Diskriminierung im Nachtleben, auf dem Wohnungsmarkt, in der Bildung und auf dem Arbeitsmarkt (auch innerhalb der Gemeinde). Als Reaktion auf die Demonstrationen zu Black Lives Matter wurden zusätzliche Untersuchungen und umfassende Diskussionen in der Stadt angekündigt.[3]

Anfang Juli startete in Amsterdam eine Kampagne namens Kom Op gegen Diskriminierung und Rassismus. Die Botschaft: Wir sind Amsterdamer und setzen uns in dieser Stadt füreinander ein. Die Kampagne wird auf großen Bildschirmen in der Stadt, über soziale Medien und über aus den Medien bekannte Menschen sichtbar.

Eine kurze, aber dennoch nützliche Webseite gibt Information und erklärt wieso es so wichtig ist, um gegen Diskriminierung aufzutreten. Getreu dem Motto "gemeinsam sind wir stark" wird auf gerufen, um gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. Das wird mittels Slogans in Frageform gemacht. Diese Texte sind im gesamten Stadtgebiet auf Postern zu sehen sind und laden zum Nachdenken ein.

Foto: Melanie Arnold; Die Fälschung sagt "Schlägst du manchmal einen Deutschen, der mitten auf dem Radweg ein Selfie macht?".

Leider hat eine Gruppierung das Thema falsch aufgegriffen und nahezu identische Poster erstellt. Diese stigmatisieren und diskriminieren Deutsche. Der Text verweist vermutlich auf deutsche Touristen, die gerne überall stehen und nicht daran denken, dass Amsterdam auch eine Stadt der Radfahrer ist. Dieses Plakat hat eine Diskussion unter Deutschen in Amsterdam ausgelöst, die sich teilweise diskriminiert fühlen oder es als Humor abtun.

Eine Rücksprache mit der Sprecherin der Gemeinde Amsterdam hat ergeben, dass diese Plakate Fälschungen sind. Die Gemeinde Amsterdam ist erschrocken, aber auch sehr überrascht. Es wird versucht, um alle Poster schnellstmöglich zu entfernen.

Bürger deutscher Herkunft in den Niederlanden erfahren zwar immer weniger Diskriminierung und Rassismus. Es kommt aber dennoch vor, dass auf den zweiten Weltkrieg bezogene Bemerkungen zu hören sind. Egal ob man beschuldigt wird, ein Fahrrad gestohlen zu haben oder, dass man den Krieg verloren habe, solche Sprüche und Bemerkungen sind und waren niemals zeitgemäß, sie sind einfach respektlos und falsch. Sicherlich ist eine Diskriminierung Deutscher in Amsterdam nur tendenziell vorhanden, da die großen Probleme bei anderen Migrationsgruppen liegen. Es ist aber dennoch ein bedenklicher Punkt, da die für Amsterdam so wichtigen deutschen Touristen angegriffen werden. Wenn über 800.000 deutsche Touristen[4] über die Amsterdamer Radwege laufen, um Selfies zu machen, kann dies sicherlich für einige Frustrationen sorgen. Echte Amsterdamer sagen aber, wat fijn dat jullie er zijn!

 

Hintergrundwissen

Deutsche werden regelmäßig damit konfrontiert, sie sollen erst das Fahrrad zurückbringen.

Ab Juli 1942 hat die deutsche Besatzungsarmee mit Hilfe der niederländischen NSB ca. 100.000 Fahrräder niederländischer Staatsbürger beschlagnahmt. Manche Räder wurden bezahlt und 2% der Fahrräder wurden ohne Diskussion mitgenommen. Dieser angeordnete Fahrraddiebstahl galt für alle Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern. Insgesamt wurden nicht mehr als eines von fünfzig Fahrrädern beschlagnahmt. Es wurde aber sehr dramatisch empfunden. "Eine äußerst schädliche Handlung. Das Schlimmste, was einem Niederländer passieren kann, ist, dass er sein Fahrrad verliert. Er wird sozusagen damit geboren." schrieb ein Wehrmachtkommandeur in seinem Monatsbericht.[5][6] Um den Deutschen ein Schuldgefühl einzureden, wurden daher dieses Thema gezielt aufgegriffen. Über die Jahrzehnte verlor die Frage nach den Rädern an Schärfe und wurde auch zum Selbstspot verwendet. Es gibt auch Ansätze der "Wiedergutmachung": Der deutsche Jochen Baier wurde mit solchen Fahrradwitzen auch geärgert und brachte im Jahr 2018 mit Freunden insgesamt 23 Räder zurück.[7] Über 20 Jahre zuvor, nämlich 1995, hat der deutsche Künstler Andi Elsner in Amsterdam Fahrräder gegen eine Fotoaufnahme eingetauscht und viel Aufmerksamkeit bekommen.[8]

"Du hast etwas verloren!" "Huch, was denn?" "Den Krieg."
Sprüche dieser Art haben viele Deutsche in den Niederlanden kennen gelernt. Gute Nachricht: Sie kommen in den letzten 10 Jahren immer weniger vor.

 

Quellen:
[1] RIGO (17.01.2020). Discriminatie op de Amsterdamse woningmarkt. Abgerufen am 25. Juli 2020, https://www.rigo.nl/wp-content/uploads/2020/04/RIGO-Discriminatie-op-de-Amsterdamse-woningmarkt-def.pdf
[2] Universiteit van Amsterdam (17. Juli 2019). Gediscrimineerde sollicitant kan weinig doen om baankans te vergroten. Abgerufen am 25. Juli 2020, https://www.uva.nl/content/nieuws/persberichten/2019/07/gediscrimineerde-sollicitant-kan-weinig-doen-om-baankans-te-vergroten.html
[3] Gemeente Amsterdam. Professionals Sociaal Domein: Antidiscriminatie. Abgerufen am 25. Juli 2020, https://www.amsterdam.nl/sociaaldomein/diversiteit/antidiscriminatie/
[4] NBTC Marketing Holland (2018). Inkomend toerisme naar Nederland. Abgerufen am 25. Juli 2020, https://marketscans.nbtc.nl/marketscan-duitsland/ontwikkeling-inkomend-toerisme
[5] Anne Pek (3. Mai 1995). uw fiets terug. Abgerufen am 25. Juli 2020, https://www.groene.nl/artikel/uw-fiets-terug
[6] Reformatorisch Dagblad (8. Juli 1994). Duitsers kregen weinig fietsen in handen. Abgerufen am 25. Juli 2020, https://www.digibron.nl/viewer/collectie/Digibron/id/384c566fbd11241b847b6623730fffb0
[7] RTV Utrecht (15. August 2018). Duitser brengt 'gestolen' fietsen terug naar Utrecht. Abgerufen am 25. Juli 2020, https://www.rtvutrecht.nl/nieuws/1812848/duitser-brengt-gestolen-fietsen-terug-naar-utrecht.html
[8] TROUW (6. Mai 1995). Duitse kunstenaar geeft fietsen terug. Abgerufen am 25. Juli 2020, https://www.trouw.nl/nieuws/duitse-kunstenaar-geeft-fietsen-terug~bed7bbf5/

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