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Kolumne: Niederländische Behörden und Institute versagen

| letzte Änderung 22. September 2020 11:34 | Thomas Klimeck

Das Mitglied des Outbreak Management Teams (OMT) Ann Vossen (Mikrobiologin) antwortete am Montag in der Talkshow Jinik auf die Kritik, die sie in der Fernsehsendung Zondag Lubach wegen der fehlgeschlagenen Testrichtlinie erhalten hatte. Laut Vossen war die massive Nachfrage nach Coronatests im September unvorhergesehen.

Am Sonntag argumentierte Lubach in seiner Fernsehshow, dass viele medizinische Mikrobiologen, darunter Ann Vossen, weiterhin ihre eigenen Labore für Coronatests nutzen wollten. Ihm zufolge würde dies ihrer Rolle in der OMT widersprechen, da Vossen auch Vorsitzende der niederländischen Vereinigung für medizinische Mikrobiologie ist. Laut Lubach hätten zu wenige große kommerzielle Labors Zugang ins niederländische Testsystem erhalten.

Vossen durfte sich gestern in der RTL Talkshow Jinik verteidigen. Sie sagte, sie habe nicht gesagt, dass die Mikrobiologen an ihren eigenen Labors festhalten wollten, betonte jedoch, dass die großen kommerziellen Labore viele medizinische Anforderungen erfüllen müssen. Sie verweist auch auf die jüngsten falsch positiven Tests, die aus verschiedenen kommerziellen Labors stammen.

Sie bestätigte, dass die Nachfrage nach Coronatests in den letzten Wochen seitens OMT, mit Vossen als einer der Hauptberaterinnen, falsch eingeschätzt wurde. Es schien daher, dass die Hilfe großer deutscher Laboratorien nicht notwendig war, was ein Beurteilungsfehler war. "Wir hätten diesen Tiefpunkt verhindern können, wenn wir die großen Labors früher eingeschaltet hätten."

Probleme halten an

Das Gesundheitssystem in den Niederlanden ist sehr abgeschlankt. Das ist vom Hausarzt bis ins Krankenhaus und auch bei den lokalen Gesundheitsämtern zu spüren. Lange Wartezeiten für Termine und Diagnosen sind üblich, niedergelassene Fachärzte gibt es nicht oder sind nur in teuren Privatkliniken zu finden und das Alltagsmedikament ist Paracetamol. Dafür bezahlen die Niederländer aber auch nur um die 100€ pro Monat für die Basisversicherung plus eine jährliche Eigenbeteiligung von 385€.

Als vor rund sechs Monaten das Coronavirus auch in die Niederlande kam, wurde schnell klar, dass es an vielen Dingen mangelte. Nicht nur, dass es zu wenig Schutzmasken und andere Schutzmittel für die Gesundheitsdienste gab, es war auch ein großes Defizit an Intensivpflegebetten vorhanden und Coronatests konnten nur für auserlesene Berufsgruppen durchgeführt werden. So konnten erst ab dem 1. Juni, drei Monate nach dem ersten nachgewiesenen Coronapatienten in den Niederlanden, alle Menschen mit Beschwerden sich testen lassen. Um das Defizit an Intensivpflegebetten zu umgehen, wurden zahlreiche Patienten quer durch das ganze Land und selbst nach Deutschland verlegt.

Zwar wurde immer wieder von der niederländischen Regierung betont, dass es wichtig sei, um einen guten Überblick auf aktuelle Situation zu bekommen, dennoch ist diese Mitteilung bei den wichtigen Gesundheitsämtern und auch dem OMT nicht angekommen. Monatelang wurden an Wochenenden wenige Fallzahlen gemeldet, die dann meistens am Dienstag - durch die zahlreichen Nachmeldungen - einen Sprung nach oben machten.

Und auch jetzt ist das Projektmanagement ungenügend. Zuwenig Testkapazitäten sorgen für verärgerte Menschen und wahrscheinlich auch für mehr Neuinfektionen. Wer einen Test anfragt, diesen nach 4 bis 5 Tagen machen kann, auch noch 80km zur Teststraße fahren muss, um danach mehrere Tage auf das Testergebnis zu warten, ist nicht zufrieden. Zudem wird auch die niederländische Wirtschaft darunter weiter leiden. Vor allem aber für die ältere Bevölkerung sind dies unzumutbare Zustände.

Kontaktpersonen-Management

Die Gesundheitsämter (GGD) haben auch die Aufgabe, um Ansteckungsgefährdete und Krankheitsverdächtige zu identifizieren. Dieses Management von Kontaktpersonen also von Personen, die mit dem Erkrankten in Berührung gekommen sind, ist wichtig um eine weitere Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern. Zu den Personenkreis gehören u.a. betreuendes medizinisches Personal, Familienmitglieder, Freunde, Mitreisende oder geschäftliche Kontakte. Auch hier versagen die ersten niederländischen Gesundheitsämter und fragen nun die Erkrankten, um dies selbst zu übernehmen.

Maskenpflicht

Während in anderen Ländern vielerorts eine Maskenpflicht eingeführt wurde, besteht diese in den Niederlanden im gewerblichen Personenverkehr. Die Sicherheitsregionen sind zwar befugt, um das Tragen einer Maske einzuführen, haben aber die letzten Maßnahmen dazu in Amsterdam und Rotterdam nicht weiter durchgeführt.

Das niederländische Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu (RIVM), also die niederländische Behörde für Öffentliche Gesundheit und Umweltschutz, hat diverse Probleme mit Masken. Zum Anfang der Pandemie hieß es, dass sie nichts nützen, da es keinen wissenschaftlichen Beweis gebe. Noch immer wird gesagt, dass man diese Mondkapjes im privaten Umfeld nicht brauche, insofern man sich testen lässt und sich an die Hygieneregeln hält.

Neben den Mondkapjes, also dem Mund-Nasen-Schutz, gibt es aber auch die Schutzmasken und medizinischen Masken, die für die Gesundheitsdienste vorgesehen sind. Diese sollten, wenn vorhanden, nur für eben diese Gesundheitsdienste, immer zur Verfügung stehen. Diese Woche hat das RIVM zugegeben, dass entscheidende Richtlinien für die Altenpflege durch das starke Defizit an diesen Schutzutensilien beeinflusst wurden. Erst seit Mitte August sind Mundmasken auch bei flüchtigem Kontakt „notwendig“ geworden.

Projektmanagement

Das Coronavirus ist unsichtbar und wir müssen uns alle an bestimmte Regeln halten. Das Projektmanagement ist aber dennoch fraglich. Nach einem halben Jahr COVID-19 in den Niederlanden sind noch immer viele organisatorische Unsicherheiten gegeben. Es bleibt zu hoffen, dass entscheidende Personen wie die Mikrobiologin Ann Vossen in Zukunft dafür sorgen, dass genug Testkapazitäten, genug Schutzutensilien und genug Mitarbeiter bei den jeweiligen Behörden vorhanden sind. Das würde nicht nur für mehr Zufriedenheit in der Bevölkerung sorgen, sondern kann auch einen positiven Effekt auf die Ausbreitung von COVID-19 haben. Eins ist sicher, schnell wird sich nichts ändern.

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